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Männer machen wieder Geschichte

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Männer machen wieder Geschichte

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Die Sozialdemokratisierung des geistigen Überbaus der Bundesrepublik brachte es mit sich, daß auch die Geschichtswissenschaft betroffen wurde. Heinrich von Treitschkes im 19. Jahrhundert getätigte Aussage, daß Geschichte von großen Männern bestimmt sei, wurde fortan negiert und auf den Kopf gestellt.

Angeführt von Historikern wie Hans-Ulrich Wehler und Jürgen Kocka wurde nun der Blick konsequent auf die Sozialgeschichte gelenkt. Strukturen standen nun im Vordergrund der Betrachtung, Strukturen der Herrschaft, Strukturen der Kultur, Strukturen „sozialer Ungleichheit“.

Nicht zu Vergessen die Geschichte der Arbeiter und Arbeiterbewegung. „Große Männer“ als Kriegsherren, Friedensstifter, Erfinder oder Begründer von Reichen hatten ausgedient. Sie wurden fortan vor allem nur noch dann herausgestellt, wenn man sie als „menschenverachtende Herrschende“ in einen kriminellen Kontext stellen konnte.

Man holt die Menschen eben dort ab, wo sie sich befinden

Umso erstaunlicher erscheint es, daß die Massenmedien diesen strukturanalytischen Ansatz heute in der Regel völlig außer Acht lassen. Ganz offenbar richten sich Fernsehen, Internet-Nachrichtenportale und Tageszeitungen gerade nicht an ein sozialwissenschaftlich vorgebildetes Publikum, daß seit Jahrzehnten gelernt hat, daß man bei der Rede von „großen Männern“ die Nase zu rümpfen habe.

Die Massenmedien sind offenbar zur Steuerung der Emotionen des nur mangelhaft vorbereiteten Plebs konzipiert. Man holt die Menschen eben dort ab, wo sie sich befinden. Folglich muss also der Glaube an die „großen Männer“ bei den Massen trotz intensiver Bemühungen der Sozialhistoriker immer noch virulent sein.

Liest und hört man die Meldungen zur aktuellen Ukraine-Krise so scheint es, daß die gesamte russische Politik von einem einzigen Mann verantwortet wird. „Putin ruiniert Russlands IT-Branche“, titelte etwa Spiegel Online. „Härte gegen Putin?“, fragte die Welt. Und die Bild-Zeitung sorgte sich um unser aller Sicherheit, als sie schrieb: „Verfassungsschutz warnt. So lässt Putin unsere Politiker ausspionieren.“

Tendenz zur Entpersonalisierung

Die Konzentration eines nationalen und internationalen Konflikts auf eine einzige als Feind markierte Person, ist nicht so neu. Wir kennen sie vom Einsatz „gegen Gaddafi“ in Libyen, oder „gegen Assad“ in Syrien.

Religionen, Clans, soziale Hierarchien, Ethnien, politische Ideologien – all diese schönen Strukturmodell der Gesellschafts- und Geisteswissenschaften spielen keine Rolle mehr, wenn in unseren Medien eine Person als Satan schlechthin gebrandmarkt werden kann. Wehler und Kocka müssten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

Der komplexe innen- und außenpolitische Konflikt wird somit zum Problem, daß „die Welt“ mit einem einzigen Mann hat. Beim einfachen Volk scheint das zu verfangen. In der Zeit des zweiten Golfkriegs 1991 ging ich abends ein paar Mal mit einer jungen Friseuse auf Partys. Damals sagte sie mir: „Wenn ich im Fernsehen diesen Saddam sehe, dann kommt die Galle hoch. Den würde am liebsten einfach abknallen.“

Dem steht zumindest eine starke Tendenz zur Entpersonalisierung entgegen, wenn es die politischen Belange der Nato-Länder zu beschreiben gilt. Hier tritt stets „der Westen“ als politischer Akteur auf. Wahlweise kann man auch von der „westlichen Staatengemeinschaft“ oder von „Europa“ lesen, das im Konflikt mit Putin stehe.

Kampf der Helden geht gegen das personifizierte Böse

Der außenpolitische Gegner wird also als vereinzelte, womöglich halbverrückte Person dargestellt, während die Nato-Staaten als eine Gemeinschaft anonymer geografischer Strukturen erscheinen. Das mag den Zweck haben, den eigenen demokratischen Anspruch zu unterstreichen.

Der undemokratischen und den Frieden gefährdenden Autokratie mit einem „Führer“ an der Spitze, steht somit das Bündnis der Aufrechten entgegen, die Vertretung des Volkes, in der es keine Könige und Herrscher mehr gibt, sondern nur die Masse der Gleichen und Couragierten.

Das findet sich ähnlich auch im Hollywood-Kino wieder, in Science-Fiction- oder Kriegs-Filmen. Der Kampf der Helden geht gegen das personifizierte Böse, etwa in Gestalt eines Darth Vader.

Vertreten die „Kämpfer des Guten“ die Rechte des Volkes, sind also letztlich dessen demokratische Hand, so sind die Kämpfer des Antagonisten stets nur gesichtsloses Kanonenfutter ohne demokratische Teilhabe und Wert.

In den westlichen Ländern zeigen die „Kämpfer des Guten“, anders als im Kino, noch wenig Gesicht. Sie verstecken sich hinter Begriffen, wie dem „des Westens“. Doch wer weiß, ob es nicht eines Tages für die Strippenzieher wieder nützlich sein wird, der Öffentlichkeit verstärkt „Helden“ und „große Männer“ zu präsentieren, die für „unsere Sache“, für Demokratie und Freiheit, Entscheidungen getroffen haben. Schließlich wollen irgendwann in den vielen geplanten Neubaugebieten auch viele neue Straßen, Plätze und Brücken benannt werden.

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