Zwei Skandale bestimmen seit einigen Tagen die Berichterstattung über die Bundeswehr. Vor allem das (vorläufige) Scheitern des Kampfdrohnenprojektes „Euro Hawk“ sorgt für Aufregung. Zusätzlich aber auch die (mutmaßliche) Untreue eines Generals beim Kauf von Sturmgewehren für die Truppe, die nicht den Anforderungen des Einsatzes genügen sollen.
Mehr oder weniger unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit geht die Bundeswehr eine weitreichende Kooperation mit der niederländischen Armee ein, außerdem haben Deutschland und Polen eine intensive Zusammenarbeit ihrer Seestreitkräfte vereinbart. Vielleicht werden gerade solche Verbindungen der Deutschen mit ihren direkten Nachbarn im Vergleich zur sich überdeutlich abzeichnenden Niederlage der Nato in Afghanistan einmal als wichtigere Zwischenereignisse in die Geschichte eingehen – wir denken an die Europäisierung der nationalen Armeen.
Die Bedeutung dieser Ereignisse ergibt sich zunächst nur aus dem Umstand, daß sie neu sind. Daraus also, daß viele vorher noch nicht von diesem Umständen informiert waren. Und sicher auch daraus, daß solche Nachrichten für diesen oder jenen politischen Zweck ge- oder mißbraucht werden können. Die Markierung dieser Ereignisse als „skandalös“ ist quasi Teil des journalistischen Handwerks, was kein Vorwurf ist, so ist die Welt nun mal, denn wer möchte schon unwichtige Nachrichten schreiben, lesen oder gar bezahlen?!
Die Summe des Einsatzes eines jeden einzelnen
Wie auch immer: Während diese Dinge passieren (und noch viele andere Sensationen schlummernd auf Veröffentlichung warten), findet jeden Tag etwas viel Entscheidenderes statt. Jeden Morgen treten Soldaten vor ihren Kompanie- und Batteriegebäuden, auf ihren Schiffen oder auf den Antreteplätzen in den Feldlagern an. Die „Spieße“ weisen unrasierte Soldaten zurecht und sorgen dafür, daß die Flure gewischt und die Spinde aufgeräumt werden. Zugführer planen Ausbildungen und führen sie durch, Kompaniechefs halten Dienstaufsicht, Mannschaftssoldaten setzen mitdenkend Befehle um. Das alles machen Soldaten der Bundeswehr jeden Tag, in der Heimat und im Einsatz.
Daß das alles gut geht, liegt nicht am System. Freilich, die Ausgestaltung der inneren Ordnung steht dem guten Dienst nicht im Wege. Aber trotzdem ist nicht sie es, welche die Streitkräfte zusammen hält, sondern die Summe derer, die ihren täglichen Dienst versehen – und ernst nehmen.
Hin und wieder, wenn man nach intensiver Beschäftigung mit den großen Aufregern und Skandalen den Blick auf den täglichen Dienst wendet, wundert man sich. Nämlich darüber, daß es doch noch funktioniert, daß so viele Soldaten auch ein persönliches Interesse am Gelingen ihres eigenen Dienstes haben. Die Wendung „Dienst nach Vorschrift“ bezeichnet ja das Ende des persönlichen Engagements. Aber fast niemand beschränkt sich darauf.
Das wäre die eigentliche Sensation. Jedenfalls, wenn Sensationen nicht per Definition neu wären.