Wer zu Hause bleibt und sich um seine Kinder kümmert, ist der Dumme. Das ist das wahre Ergebnis der ganzen Diskussion um Frauenquote, Krippenplätze und Gleichstellung von Mann und Frau. Und genau darauf weist Birgit Kelle in ihrem neuen Buch „Dann mach doch die Bluse zu“ hin.
Kelle legt damit den Finger in die Wunde, denn es geht dabei auch um die typisch deutsche Angst, als dumm zu gelten und angeblich nicht genug aus seinem Leben zu machen.
Als jemand, der nun schon seit beinahe 15 Jahren in Deutschland lebt, würde ich diese Eigenschaft als charakteristisch für die Deutschen beschreiben.
Sie zieht sich durch alle Lebensbereiche und Berufe, durch das Familienleben und das Bildungswesen. Sie formt die Politik und die hiesige Diskussionsatmosphäre. Denn hier gilt die Regel: Wer nicht genügend kritisiert, wer nicht von einer ständigen Unzufriedenheit angetrieben wird, wer keine starke Meinung vertritt, dem fehlen offenbar die Argumente.
Durch das Leben in vier verschiedenen Ländern weiß ich, daß das nicht „normal“ ist, nichts typisch Menschliches. Nein, es ist lediglich etwas typisch Deutsches.
Zufriedenheit ist was für Dumme, die es nicht besser haben wollen
Wer dieser ständigen Angst vor Dummheit und den dadurch entstehenden Kritikdrang der Deutschen im Hinterkopf behält, wird einiges in diesem Land besser verstehen. Das Phänomen ist zwar vermutlich auch der Grund dafür, daß Deutschland wohl die meisten klugen Köpfe der Weltgeschichte hervorgebracht hat. Aber es ist auch dafür verantwortlich, daß man hierzulande nur selten auf wirklich glückliche Menschen trifft.
Denn Zufriedenheit ist aus deutscher Sicht etwas für die Dummen, die es nicht noch besser haben wollen. Daß es auch Menschen gibt, die nicht Erfolg, sondern Zufriedenheit an die erste Stelle ihres Lebens setzen, gilt hierzulande für die meisten als reine Dummheit. All die gut ausgebildeten Akademikerinnen, die „nur“ zu Hause mit ihren Kindern hocken und dabei wertvolle Ressourcen verschwenden, heißt es immer wieder.
Doch die Frauen, die dieses Lebensmodell gewählt haben, haben sich vielleicht auch dafür entschieden, weil ihnen Glück und Zufriedenheit wichtiger sind, als irgendwelche Erfolgsversprechen oder Anerkennung auf dem Arbeitsmarkt. Sie haben noch nicht aus den Augen verloren, daß das Leben nun mal begrenzt ist, daß es Wichtigeres gibt als das Büro oder die Aldi-Kasse – weil die Kinder eben nur für einen kurzen Moment klein sind. Danach ist noch viel Zeit, um arbeiten zu gehen, wenn man denn möchte oder muß.
Hausfrauen dürfen beleidigt werden
Doch der öffentliche Konsens tut sein Bestes, um diese Frauen mieszumachen: Wenn schon alle anderen unzufrieden sind, sollen sie es auch sein. Wie kann jemand glücklich sein, der sich mit einem Status zufriedengibt und bloß auf der Stelle tritt? Das ist doch dumm und faul!
Es geht so weit, daß Hausfrauen und Mütter regelrecht beschimpft werden: Birgit Kelle schreibt, daß diese hierzulande eigentlich die einzige Gruppe sind, die öffentlich beleidigt werden darf. Ohne, daß sich dagegen Protest regt.
Und das ist für sie der wahre Sexismus unserer Zeit: Ständig wird suggeriert (vor allem von Frauen selbst), daß Frauen nicht in der Lage sind, selbst eine ernstzunehmende Entscheidung für und über ihr Leben zu treffen.
Es gilt als unglaubwürdig, daß sich eine Frau selbständig, aus durchdachten und wohlüberlegten Gründen, ganz bewußt und trotz aller akademischen und beruflichen Kompetenzen freiwillig für das Hausfrauendasein entscheidet. Und wenn sie es tut, dann doch nur, weil sie das mit der Emanzipation noch nicht so richtig kapiert hat. Und deswegen muß sie vor sich selbst bewahrt werden, endlich befreit und erlöst.
Krankhafter Geltungsdrang
Doch Mutter und Hausfrau zu sein, gilt nicht in jedem Land als dumm. In meiner Heimat beispielsweise wird es durchaus als modern angesehen. Als eine kritische und intelligente Reaktion auf das, was bislang nicht ausschließlich als positiv empfunden wurde. Sprich Karrierefrau zu sein.
Über diese Frauen wird bei uns bemitleidend geschmunzelt. Sie hätten einen krankhaften Geltungsdrang. Sie müßten sich aus irgendwelchen unerklärbaren Gründen noch ganz altmodisch mit Männern messen und von außen vorgegebene Erwartungen erfüllen: „Das ist so Achtziger!“, sagen dort die selbstbewußten jungen Mütter von heute.
Der Anfang für eine derartige Befreiung der Frauen ist auch in Deutschland bereits gelegt, nicht zuletzt dank Birgit Kelle, aber es ist noch viel zu tun. In diesem Sinne: „Birgit, der Kampf geht weiter!“