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Berlin – von außen

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Bei Südstaaten-Hitze fuhr ich Anfang August, abbiegend von einer Havel-Radtour, ein Stück des äußeren Berliner Mauerweges, nachdem ich auf dem inneren – durch die Stadt – früher schon unterwegs war.

Mindestens allen Berlinern sei dieser eigenwilligste, gewissermaßen tragischste, andererseits hoffnungsvollste aller deutschen Radwege dringend empfohlen. Es handelt sich um eine historisch dramatische Tour, ja eigentlich um eine für jeden politisch wachen Menschen obligatorisch zu absolvierende Route. Wenn neuerdings Pilgerwege für Gestreßte in Mode kommen, sollten Orte, mit denen und an denen sich Schicksale entschieden, erst recht die Aufmerksamkeit der Geschichtsbewußten finden. Dabei wäre viel Tragik zu thematisieren, vor allem hinsichtlich der Maueropfer; aber es reicht schon eine stille Meditation darüber, wie anders ein in Berlin-Reinickendorf beginnendes Leben gegenüber einem solchen in Berlin-Pankow verlief, und zwar quasi in Sichtweite voneinander entfernt.

Ja, die Westberliner Insellage ist vielfach thematisiert. Aber erst jetzt kann man diese Insel umschiffen. Freien Blicks! Von Osten angesehen, ist West-Berlin sehr grün. Immer noch wie ein geheimnisvolles, lange Zeit unerreichbares Ufer auf der anderen Seite der Havel. Welch ein Perspektivwechsel für alle in den sechziger und siebziger Jahren Geborenen! Hennigsdorf, dieser einst grauschwarze Stahlwerk-Standort, ist neuerdings, ausgestattet mit einem idyllischen Hafen im ehemaligen Grenzgebiet, ein Vorort Berlins! Sogar S-Bahnhof! Er war es geographisch wohl immer, ist es erlebbar aber erst in den letzten Jahren geworden. – Als sich am Morgen des 17. Juni 1953 die Arbeiter des Stahl- und des Lokomotivwerks zum Protest in Richtung des „Hauses der Ministerien“ nach Ostberlin aufmachten, zogen sie noch durch Reinickendorf und Wedding dorthin, weil das die normale und kürzeste Strecke war.

Man fährt durch eine Idylle, die voller Geschichte ist

Ebenso wie das eher spröde Hennigsdorf vorm Berliner Nordwesten ist das mittlerweile friderizianisch-liebliche Potsdam vorm Südwesten des ehemaligen West-Berlin allernächstes Einzugsgebiet der Hauptstadt geworden – und die Glienicker Brücke wieder ein Symbol der Nähe, statt der Trennung, die ein weißer Strich in ihrer Mitte markierte. Zwischen Hennigsdorf und Potsdam fährt man durch eine Idylle, die Jahrzehnte die Kulisse für den Kalten Krieg hergab: Vorbei am Nieder-Neuendorfer und Tegeler See durch den Spandauer Forst zur ehemaligen West-Berliner Exklave Eiskeller, damals mit Spandau nur über eine vier Meter breite, 800 Meter lange Zufahrt verbunden. Man kann sich die Gartenstadt Staaken ansehen, errichtet für die Arbeiter der Spandauer Rüstungsbetriebe, das Fort Hahneberg, den letzten Festungsneubau Deutschlands, damals im äußersten Westrand West Berlins – etwa dort, wo der alte Grenzübergang Heerstraße den Transit nach Hamburg ermöglichte.

Später Gatow, wo man sich wie mitten im Brandenburgischen und überhaupt nicht in Berlin wähnt. Aber hier lag der Flugplatz der Royal Air Force Gatow – Start und Landeplatz für die Maschinen der Luftbrücke. Dann Schloß Sacrow, von Friedrich Wilhelm IV. nach Plänen von Ludwig Persius ausgebaut, vom Grenzgebiet in einen Dornröschenschlaf versenkt, die Heilandskirche mit ihrem italienischen Campanile am Havelufer sogar in die Sperranlagen einbezogen. Eine märkische Romantik in scharfem Kontrast zu den Traumata des letzten Jahrhunderts. Noch die letzten Ruinen der Sowjetkasernen, eher nur abgeräumte Fläche, dann Potsdam, die Glienicker Brücke. Und Berlin!

Alles redet von Authentizität. Authentischer als auf dem Berliner Mauerweg lassen sich historische Tragik und historisches Glück schwerlich irgendwo fassen.

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