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Affentheater als Ablenkmanöver

Affentheater als Ablenkmanöver

Affentheater als Ablenkmanöver

 

Affentheater als Ablenkmanöver

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Antisemitismus, Sexismus, Rassismus – Die öffentliche Debatte scheint nichts Wichtigeres mehr zu kennen als den Kampf um die politisch zulässige Wortwahl. Brennende Fragen wie Entdemokratisierung, Entkinderung und Entwertung geraten in den Hintergrund. Statt dessen spielt sich die Diskussion auf Nebenkriegsschauplätzen ab. Die goldene Wörterwaage scheint das wichtigste Meßwerkzeug geworden zu sein. Das Geschwätz übertönt das Gespräch.

Erzbischof Gerhard Ludwig Müller beklagt sich über eine Katholikenphobie, „die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung erinnert“? Sogleich kanzelt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Präfekten der Glaubenskongregation ab: „Vergleiche mit dem Holocaust sind geschmacklos“. Einen solchen Vergleich hatte Müller zwar gar nicht angestellt, aber die Beirätin der antikirchlichen Humanistischen Union behauptete mit der Antisemitismus-Keule die Deutungshoheit der Kirchenfeinde.

Ablenken vom Wesentlichen

„Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“: FDP-Spitzenpolitiker Rainer Brüderle wehrt sich mit einem lockeren Spruch gegen die Stichelei der Stern-Reporterin Laura Himmelreich? Sie hatte ihn abends an der Hotelbar auf sein „fortgeschrittenes Alter“ hingewiesen, worauf Brüderle ebenfalls anzüglich wurde. Die Rache des Sterns erfolgt unter kühler Berechnung des besten Zeitpunkts für eine Kampagne: Brüderle sei „der spitze Kandidat“ und ein „Bock in Nadelstreifen“, heißt es gleich nach dessen Ausrufung zum Spitzenkandidaten der FDP.

Plötzlich beherrschte ein belangloser Sexismus-Streit die Schlagzeilen. Angesichts des Frauenbildes, das der Stern selbst pflegt, war die moralische Überhöhung des eigenen Standpunkts zwar so unglaubwürdig, daß das Magazin die Auseinandersetzung letztlich verlor, doch die öffentliche Aufmerksamkeit hatte sich bereits von wichtigeren Themen entfernt.

Der hessische Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn macht sich beiläufig Gedanken darüber, ob unser Land einen „asiatisch aussehenden Vizekanzler“ auch weiterhin akzeptieren könne? Sofort kreischt die SPD: „Eine stillose Entgleisung! Rassistische Tendenzen!“ Eilends stürzen sich die politischen Gegner auf den FDP-Politiker, obwohl sich selbst dessen Parteivorsitzender Philipp Rösler, auf den sich der Satz bezog, an der Aussage Hahns nicht störte, weil er wußte, wie sie gemeint war.

Pseudo-Sprachpflege

Es vergeht auf diese Weise kaum ein Tag, an dem nicht der Sprachgebrauch einer Persönlichkeit in der Kritik steht. Und was soll dieses ganze Affentheater? Es führt doch den Blick von den brennenden Fragen weg! Welche politischen Schuftereien sind wohl geplant, daß so sehr von den Inhalten abgelenkt werden muß?

Ein Sprachfreund sollte sich eigentlich darüber freuen, wenn auf korrekten Sprachgebrauch geachtet wird. Hier handelt es sich allerdings nur scheinbar um das Bemühen um das richtige Wort, denn in Wirklichkeit geht es darum, andere mundtot zu machen, um deren Einfluß zu schmälern. Eine Schweigespirale zu erzeugen, ist jedoch das glatte Gegenteil von Sprachpflege. Diese setzt sich nämlich dafür ein, daß sich die Menschen untereinander möglichst gut verstehen – und daß sie Probleme klar benennen können, ohne daß sie fürchten müssen, geächtet zu werden. Wem nützt es, diese Redefreiheit zu behindern?

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