Constanze Bohg war endlich schwanger. Es war ein Wunschkind. Doch in der 14. Schwangerschaftswoche kam der Schock: Bei der Untersuchung wird der Arzt plötzlich ernst. Mit dem Kind stimme etwas nicht, sein Gehirn und Rückenmark liegen teilweise außerhalb des Körpers. Die Ärzte raten zur sofortigen Abtreibung.
Doch Constanze Bohg und ihr Mann Tibor wollen sich in Ruhe und alleine entscheiden – ohne Druck von Ärzten, Freunden und Verwandten. Denn nur wenige bringen Verständnis für eine andere Entscheidung auf, als sich von dem Kind zu verabschieden.
Die Bohgs ringen viereinhalb Wochen lang mit der Frage, ob sie eine Abtreibung ertragen könnten. Als gläubige Christen waren sie immer gegen Abtreibungen – zumindest theoretisch. Nun sind sie selbst betroffen. Sie fragen sich, was wäre, wenn sie sich doch für das Kind entscheiden. Wird es tot geboren, oder stirbt es vielleicht kurz nach der Geburt?
Ihre Entscheidung wird dadurch nicht einfacher, daß es weltweit nur eine Handvoll Kinder gibt, bei denen „occipitale Encephalocele“ diagnostiziert wurde. Weniger, weil sie theoretisch nicht überleben könnten, sondern weil sie fast immer vorgeburtlich getötet werden. Constanze und Tibor Bohg stehen vor der Frage, ob sie mit einem derart schwer behinderten Kind leben können – und mit dem Unverständnis der Gesellschaft für eine solche Entscheidung.
Sein winziges Herz schlägt
Doch sie lieben ihr ungeborenes Kind. Es soll zur Welt kommen und sein Schicksal in Gottes Hand liegen. Bei all dem Leid wollen sie sich wenigstens die Last der Schuld ersparen. In einem katholischen Krankenhaus finden sie Ärzte, die bereit sind, ihren Sohn nach der Geburt palliativ zu behandeln. Sie wünschen sich, daß ihr Sohn nicht auf der Intensivstation behandelt wird, sondern ruhig in ihren Armen sterben darf.
Am 23. August 2011 setzen in der 27. Schwangerschaftswoche plötzlich die Wehen ein: Um kurz nach Mitternacht kommt Julius Felix zur Welt, lebend. Er wiegt 800 Gramm und hat zarte, schwarze Haare. Er weint nicht und öffnet auch seine Augen nicht. Aber sein winziges Herz schlägt – zwei Stunden lang. Dann schläft er friedlich in den Händen seiner Eltern ein.
„Das war das Erdenleben unseres ersten Sohns. Gott hatte ihm 27 Wochen in meinem Bauch gegeben und zwei Stunden unter dem friedlichen Himmel einer lauen Berliner Sommernacht“, schreibt Constanze Bohg in ihrem kürzlich erschienen Buch „Viereinhalb Wochen“. Und für dieses Erdenleben, wenn auch viel zu kurz, ist sie dankbar.