Die Zeit hat die interessierte Öffentlichkeit auf eine Studie über deutsche Wehrpflichtige aufmerksam gemacht. Ein Forscherteam aus Tübingen habe herausgefunden, daß junge Soldaten im Verhältnis zu einer zivilen Vergleichsgruppe „unreifer“ seien. Neun Monate Bundeswehr würden der Charakterentwicklung schaden.
Die „Sozialverträglichkeit“ der ehemaligen Rekruten steige „langsamer an als die der Zivildienstleistenden. Dieser Trend setzte sich noch mindestens vier weitere Jahre fort. Es handele sich also nicht nur um einen kurzzeitigen Effekt.“ Der Militärdienst hat also langfristige Auswirkungen auf den Charakter des Soldaten. Wie überraschend!
Schädigung der Charakterentwicklung
Seltsam ist allerdings, daß das Forscherteam von einer „Schädigung“ des Charakters und der Unreife der Soldaten spricht. Nun, Papier ist geduldig, und selbst die Ergebnisse seriösester Studien sind immer von den Auffassungen des Forschers geprägt, weil die nackten Zahlen ja innerhalb der Definitionen seiner Weltanschauung bewertet und gedeutet werden müssen.
Also: Wenn man sich die Wertung der „geschädigten“ Charakterentwicklung wegdenkt, dann bleibt die unterschiedliche Charakterentwicklung übrig. Und wenn man sich dann noch innerhalb eines konservativen Wertesystems bewegt, dann könnte man die Studie wohl auch völlig umdeuten.
Viele Soldaten werden die Erfahrung gemacht haben, daß sie sich nach drei Monaten Grundausbildung mit Schlaf- und Zeitmangel, ungewohnter körperlicher Anstrengung, autoritären Ausbildern und acht Mann auf einer Stube leicht von ihren Zivildienst leistenden Freunden entfremdet haben. Natürlich ist davon auszugehen, daß ein Auslandseinsatz diese Entfremdung noch um ein Vielfaches potenziert, glücklicherweise ist ein Afghanistan-Veteran, Robert Sedlatzek-Müller, als Botschafter für traumatisierte Soldaten in den Medien unterwegs.
Posttraumatische Belastungsstörung
Daß er an einem Sonntagabend bei Günther Jauch von seiner Posttraumatischen Belastungsstörung berichten darf, ist ein gutes Signal von Seiten der „Gesellschaft“ – sie zeigt Interesse am Soldaten. Trotzdem ist die Zeit dazu in der Lage, aus einer wissenschaftlichen Studie heraus die Schlagzeile zu zaubern, daß der Wehrdienst charakterschädigend sei.
An solchen Interpretationen zeigt sich überdeutlich, daß der Verfasser des Artikels keine Idee von der militärischen Notwendigkeit einer mentalen Weiterentwicklung der Rekruten hat. Es sollte doch ein Allgemeinplatz sein, daß ein Soldat anders denken muß als ein Zivilist. Er wird ja nicht für ein Geschäftsessen ausgebildet, sondern für ein Gefecht. Wer diese Notwendigkeit dann als „Schädigung“ tituliert kann noch so viel „Interesse“ am Soldaten zeigen, er wird ihm nie den Respekt entgegen bringen können, der ihm für sein Opfer gebührt.