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Radler gegen Rehe

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Um Radfahrer und teils großstädtische Verkehrsprobleme soll sich dieser Beitrag drehen. Vorab betont sei, daß auch ich zu allen unten beschriebenen Verkehrsteilnehmern gehöre. Ich fahre Auto, nutze öffentliche Verkehrsmittel, fahre Fahrrad und gehe zu Fuß. Es geht also nicht darum, Verkehrsgruppen anzuklagen, sondern eine Diskussion anzuregen.

Nichts sei gegen das Radfahren gesagt. Ganz im Gegenteil. Es ist eine ökologische, sprit- und schadstofffreie Art der Fortbewegung, die Atemluft und Ohren schont. Eine autarke Form des Verkehrs, zumindest im Bewegungsprozess nicht von Rohstofflieferungen des Auslands abhängig. Der Parkraumverbrauch ist sehr überschaubar. Zudem sollte der gesundheitliche Aspekt nicht hoch genug geschätzt werden. Ich kenne mehrere Herren fortgeschrittenen Alters, die sich durch regelmäßiges Radfahren erstaunlich fit gehalten haben. Gleichwohl sind Radfahrer aber deshalb nicht automatisch bessere Menschen oder gar Verkehrsteilnehmer.

Unentspannte mobile Großstadtbewohner

Auf dem platten Land mag das alles kein Thema sein. Gerade aber in einer engen, auf derartige Verdichtung und Verkehrsaufkommen ursprünglich gar nicht angelegten Stadt, beispielsweise Frankfurt am Main, führt das Chaos auf den Straßen zu einer latent geladenen Grundstimmung. Unter den Autofahrern sind die aggressiven Drängler bekannt, die übervorsichtigen Sonntagsfahrer, die unkonzentrierten und egoistischen Handytelefonierer, ebenso die dreisten Verkehrsbehinderer, die halten, wo es ihnen gerade beliebt. Hinzu kommen die nervend lauten Motorrad- und Mopedfahrer, die Lärm auch als Mittel einsetzen, um Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Auch Fußgänger sind nicht immer entspannte Zeitgenossen, hierzulande schon gar nicht. Unlängst geriet ich auf der Parkplatzsuche gemeinsam mit zwei anderen Autos, denen ich ortsunkundig folgte, auf einer nicht abgesperrten Straße mitten in ein Stadtfest. Im Schritttempo tuckerten wir Drei an Essens- und Bierständen vorbei, bis wir den Weg hinaus fanden. Ein Zurück war nicht möglich, und die Aktion auch regulär, da sich an dieser Stelle das Fest verkehrsrechtlich nur auf den Bürgersteig beschränkte.

Es war ein Spießrutenlauf der Beschimpfungen des versammelten Fußgängermobs. Selbst auf einem Fest, bei dem er mit Bier, Wein und Wurst entspannt den schönen Sommerabend ausklingen lassen könnte, findet der brave Deutsche noch einen Anlaß, sich aufzuregen, dachte ich mir. Nicht über „Euro-Rettung“ oder Demokratieabbau natürlich, sondern über drei 15 Sekunden an ihm vorbeirollende PKWs. Das positive an der deutschen Mentalität indes ist, daß es bei der Drohung bleibt, und man in der Regel nicht real gelyncht wird. Ich grinste mir jedenfalls einen aufgrund des kleinen Abenteuers.

Eine hofierte Klientel

Radfahrer wiederum sind eine spezielle Klientel. Aufgrund der oben beschriebenen Vorteile und Imagegründe werden sie massiv von „grünen“ Politikern hofiert. In Frankfurt dürfen sie mittlerweile sogar entgegen der Einbahnstraßen-Regelung fahren. Das haben sie auch vorher schon gemacht, allerdings vorsichtig und mit schlechtem Gewissen. Nun aber radeln sie mit Anspruchshaltung durch die engen Gassen und beiderseits der auf diese Weise zusätzlich behinderten Autos.

Vor einige Wochen war ich zu Fuß in der Frankfurter Innenstadt unterwegs. Eine Baustelle zwang mich zum Wechseln der Gehwegseite und der Nutzung von zehn Metern des Radweges. Prompt wurde ich von einer vorbeifliegenden Radlerin angeschnauzt: „Hier ist ein Radweg!“ Das verblüffte mich nun wirklich. Ein Radler, der auf Verkehrsregeln beharrt, ist definitiv ein Paradoxon. Natürlich gibt es Ausnahmen, und ich pauschalisiere. Und ich würde lügen, wenn ich nicht zugebe, das ein oder andere verschämt auch schon gemacht zu haben. Jedenfalls: Gerade für Radfahrer scheinen keinerlei Verkehrsregeln zu gelten. Man fährt auf dem Bürgersteig, wenn man möchte. Man kennt keine rote Ampel.

Anarchische Zustände

In Fußgängerzonen und auf Zebrastreifen ist es natürlich unangebracht, vom Sattel zu steigen. Obwohl sich daneben ein zwei Meter breiter Radweg befindet, müssen vorrangig Rennradler in „Tour de France“-Montur auf der Straße fahren, auch wenn sich hinter ihnen eine lange Autoschlange bildet. Konnte man sie endlich überholen, holen sie einen bei der nächsten roten Ampel wieder ein und schlängeln sich an den Anfang der Kolonne. Nachts auch gerne ohne Licht. Auch ich bin als Fußgänger schon zwei-, dreimal von im Abstand von wenigen Zentimetern vorbeirasenden Radlern fast umgefahren worden. Ein Freund und ständiger Radler meinte darauf angesprochen: „Ich muß gesetzlich überhaupt nicht den Radweg benutzen. Mein einziges Interesse ist, möglichst schnell durch die Stadt zu kommen.“ Wenn das alle Autofahrer auch sagen würden, hätten wir allerdings lustige Zustände auf unseren Straßen.

Eines Nachts erwischte ihn eine Polizeistreife dabei, wie er über eine rote Ampel auf die leere Kreuzung fuhr. „Die hatten wohl nichts besseres zu tun, machten Blaulicht an“, erzählte der Freund. Und er fuhr fort: „Ich trat in die Pedale, raste in mehreren Kurven durch die engen Straßen. Da hatten die keine Chance mich zu kriegen.“ Ergo, Radfahrer sehen sich also als Anarchisten, die im Verkehr tun und lassen können, was immer ihnen beliebt. Nun droht den Radlern neues Ungemach. Die Hessische Landesregierung plant ein neues Gesetz, daß die Nutzung von Waldwegen durch Mountainbiker einschränkt. Nur noch „befestigte oder naturfeste Wege, die ganzjährig von einem nicht geländegängigen PKW befahren werden können“, sollen in Zukunft allgemein offen stehen.

Die „Deutsche Initiative Mountainbike“ und der „Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club“ (ADFC) haben lautstarken Protest erhoben. Auch die „Grünen“ als Rad-Lobbyisten stehen in der Abwehrlinie. Wanderer, Reiter und Kutschfahrer, die sich ebenfalls von der Gesetzesinitiative in ihrer Bewegungsfreiheit bedroht fühlen, versucht die Landesregierung zu beruhigen.

Auch das Wild ist beunruhigt

Für diese Gruppen „ändert sich nichts“, heißt es aus dem hessischen Umweltministerium. Das Gesetz richte sich nur gegen Radfahrer. Auslöser der Novelle sei die Zunahme von Schäden am Wald, also Erosion durch entstandene Fahrrillen oder gar angelegte Trails mit Sprungschanzen. Es gehe darum, Konflikten mit Spaziergängern vorzubeugen und der Beunruhigung des Wildes entgegen zu wirken. Das Fahren abseits von Wegen ist zwar auch heute schon verboten, doch mangelte es bislang an einer klaren Definition des Begriffs „Wege“. Der „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ (BUND), die „Schutzgemeinschaft Deutscher Wald“, der Wanderer-, der Waldbesitzer- und der Landesjagdverband begrüßen die Initiative. Der „Naturschutzbund Hessen“ hingegen ist ganz offensichtlich bemüht, es sich nicht mit der Radler-Lobby zu verscherzen, lehnt deshalb Verbote ab und plädiert allein für eine schwammige „intelligente Wege-Planung“.

Wie auch am Beispiel meines flüchtenden Freundes erkennbar, mangelt es bei der Disziplinierung der Radfahrer allerdings weniger an Gesetzen als an der Durchsetzbarkeit. Bei 2.370 hessischen Mitarbeitern der Revierförstereien und 342.000 Hektar Wald kommen auf jede Einzelperson 144 Hektar zur Überwachung. Auch andere neue Bußgelder gegen „Kampfradler“ werden von der Bundesregierung geprüft: 5 Euro bei freihändigem Fahren, 10 Euro ohne Licht, 15 Euro bei Nicht-Benutzung eines Fahrradweges, 25 Euro für Telefonieren bei der Fahrt, 45 Euro bei Mißachtung von Rotlicht. Indes: Wer soll das kontrollieren bei faktisch anonym durch die Städte radelnden Massen? Jede Kontrolle ist nur eine Stichprobe, die einen Unglücksraben trifft.

Eine Lösung könnte sein, auch Fahrräder endlich mit Nummernschildern auszustatten. Somit wäre immerhin ein Halter ausfindig zu machen, bevor dieser wieder buchstäblich Gas gibt und einfach verduftet. Das wäre angesichts der Geschwindigkeiten heutiger Hochleistungsräder eine zeitgemäße Antwort.

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