In den ruhigen Tagen um den Jahreswechsel brachte das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen Film über Wjatscheslaw Molotow, als den „Mann hinter Stalin“. Interessant sind solche neueren Filme häufig wegen ihrer Ausschnitte aus Originalaufnahmen, von denen in den letzten 20 Jahren recht viele unerwartet in den Archiven gefunden wurden. Außerdem bieten sie Gelegenheit zur Beobachtung, wie sich über bestimmte Geschichtsthemen ein Konsens bildet und wie solche Filme diesen Konsens sowohl abbilden als auch verstärken.
Was die Originalaufnahmen anging, so blieb der „Mann hinter Stalin“ (der eigentlich lange Zeit seines politischen Lebens in zahlreichen Funktionen „vor“ Stalin stand) etwas hinter den Erwartungen zurück. Es überwogen nette Details aus der kommunistischen Überlieferung. Mit erkennbarer Begeisterung breiteten die Macher des zuerst 2010 in Deutschland erschienenen Films die „Nickligkeiten“ aus der Frühzeit der Revolutionsgeschichte aus, etwa die vorrevolutionäre Produktion der Prawda, als Molotow in der Redaktion Stalins Texte zusammenstrich. Man konnte die Dampflok bewundern, die Lenin nach Rußland gebracht haben soll und die Marmorgedenktafel an der Revolutionstreppe im Winterpalais. Stalin soll nach dem Selbstmord seiner Frau sogar Tränen vergossen haben, war zu hören.
Die üblichen Verharmlosungskaskaden
Dabei gab sich der Film gar nicht ausschließlich als romantische Apologie. Er übte Kritik an „Unterdrückung“, an den immer neuen „Säuberungen“ in Partei und Gesellschaft, an den 40.000 Todesurteilen, die Molotow persönlich unterschrieben haben soll. Dennoch schien etwas zu fehlen. Man zuckte deshalb geradezu zusammen, als nach längerer Zeit plötzlich ein hartes Wort fiel: Mord!
Was war geschehen? Schnell war klar: Man schrieb die 1930er Jahre und die Deutschland waren die Nationalsozialisten an die Macht gekommen. Da trat eine ganz andere Wortwahl auf den Plan. „Verbrechen“, „Überfall“, „Mord“, „Wahnsinn“ und so weiter, dazu abschätzige Beiworte für Personen, Taten und angebliche Pläne, wo immer es ging.
Nie wäre es den Filmemachern eingefallen, die UdSSR oder ihren Molotow in dieser Begrifflichkeit zu beschreiben, ob er nun persönlich 40.000 Leben auf dem Gewissen hatte oder nicht. Daß dann noch die üblichen Verharmlosungskaskaden über den sowjetischen Vernichtungskrieg zwischen 1939 und 1945 nachgeschoben wurden, konnte kaum überraschen. Da war er nun zu beobachten, der bundesdeutsche Konsens bei der Arbeit, gewissermaßen als Originalaufnahme.