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Kerzen an Heldengräbern

Kerzen an Heldengräbern

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Kerzen an Heldengräbern

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Es ist ein sonniger Herbsttag. Das Laub liegt schon auf dem Boden, die Äste der Bäume sehen nackt aus gegen den blauen Himmel. Ich laufe hinter meinem Bruder her: Wir spielen Fangen, wälzen uns auf dem Boden und bewerfen uns mit Laub. Ich bin vielleicht fünf Jahre alt. So genau weiß ich es nicht mehr.

Woran ich mich aber ganz genau erinnern kann, ist, daß mein Urgroßvater, Jahrgang 1914 und technischer Offizier in der finnischen Luftwaffe, sich zu mir herunterbeugte und mir ernst in die Augen sah: „Anni, wir gehen jetzt zum Soldatenehrenmal. Du wirst dort nicht mehr rennen und auch keinen Krach machen.“ Mehr brauchte er nicht zu sagen: Ich war mucksmäuschenstill.

Ich habe meinen Urgroßvater, der sonst immer mit uns tobte und für jeden Jux zu haben war, genau beobachtet. Als er an das Ehrenmal herantrat, nahm er seine Mütze ab und die Stimmung um ihn herum wurde plötzlich spürbar feierlich, ja würdevoll. Er stand da mit gesenktem Kopf und schwieg – eine Ewigkeit, wie es mir damals vorkam.

Die toten Soldaten hatten etwas Besonders geleistet

Ich verstand damals nicht genau, worum es ging. Aber ich wußte, daß es etwas Wichtiges war, groß und ernst. Ich wußte, daß das, was die toten Soldaten geleistet hatten, etwas Besonderes gewesen sein mußte.

Schließlich liefen wir zu den „Heldengräbern“, wie die Gräber gefallener Soldaten in Finnland genannt werden, und zündeten Kerzen an. Auch eines für den „Unbekannten Soldaten“ – ein Schicksal, das meine damalige sichere und geordnete Welt erschütterte: Wochenlang grübelte ich über das Unglück dieser Soldaten und ihrer offengebliebenen Geschichten.

Als ich älter wurde, erzählte mir mein Urgroßvater manche dieser Geschichten zu Ende – wenn er konnte. Doch oft war das nicht möglich. Denn auch wennl er wußte, daß ein Kamerad gefallen war, waren ihm die genauen Umstände seines Todes nicht immer bekannt. Trotzdem trauerte er, hielt sie in Ehren und fühlte sich manchmal auch verantwortlich: Immer wieder erzählte er mir von Kameraden, denen er gerade Erlaubnis erteilt hatte, mit ihrer Fokker hinauszufliegen, und die dann nie mehr heimkehrten.

Preis der Unabhängigkeit und Freiheit

Diese Geschichten haben mich und mein Denken über Soldaten, über das Vaterland und den Preis der Unabhängigkeit und Freiheit geprägt. Für meinen Urgroßvater waren diese Dinge nicht selbstverständlich, sondern mit Schweiß, Blut und Tränen verbunden. Das hat er mir vermitteln können.

An dem heutigen Volkstrauertag frage ich mich, ob ich ein wenig von der tiefen Ehrfurcht meines Urgroßvaters den Gefallenen gegenüber an meine Kinder weitervermitteln kann, sowohl für die finnischen wie auch die deutschen. Und wenn nicht, wie können sie dann jemals diese Dinge – eben das Soldatentum, das Vaterland, die Unabhängigkeit und die Freiheit verstehen?

> Bildstrecke zum Volkstrauertag

> JF-Spezial zum Volkstrauertag 2004 (PDF 4,2 MB)

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