Wenn’s einem reicht, wenn’s einem gar stinkt, dann sollte man gehen, denn darin liegt neben einem guten Auftritt das, woran es den meisten gebricht, nämlich Haltung. Es heißt, Bundesbankchef Weber brüskiere die Kanzlerin, weil er eine zweite Amtszeit als Chef der Bundesbank ebenso ausschlage wie eine Bewerbung für die EZB-Präsidentschaft, obwohl ihm beides von Merkel angedient wurde, die mit ihm einen wichtigen Mitstreiter in der Euro-Krise verlieren würde.
Stattdessen ist der hochkompetente und sehr selbstbewußte Notenbanker als Ackermans Nachfolger in der Deutschen Bank im Gespräch. Zur Erinnerung: Nachdem Bundesbank-Präsident Welteke wegen einer Affäre gehen mußte, kam Axel Weber 2004 auf den Posten, als Schröder noch Bundeskanzler und Eichel Finanzminister war. Er galt als wissenschaftlich ausgewiesen, aber ansonsten als unbeschriebenes Blatt. In seiner Amtszeit vermochte er es, sich als souveräner Manager dramatischster finanzpolitischer Turbulenzen eine immense Achtung zu erwerben.
„Ich gehe immer meinen Weg“
Glücklicherweise wurde er dabei nie ein Anpasser, was den Argwohn der EU-Eminenz Jean-Claude Juncker weckte, der im Februar 2010 in die Mikrophone näselte, er werde „nicht in allen Fällen dafür plädieren, daß Deutschland den Posten des EZB-Präsidenten stellen wird.“ Als sich der Bundesbanker dann im Mai 2010 gegen den Ankauf griechischer, irischer und portugiesischer Pleitenanleihen durch die EZB aussprach, weil die „erhebliche stabilitätspolitische Risiken“ bergen, zeigte sich EZB-Chef Jean-Claude Trichet pikiert und machte auf dicke Hose: „Es gibt nur eine Erklärung, und die gebe ich.“
Weber zurück: „Ich gehe immer meinen Weg, und das hat mir gutgetan.“ Ja, wo hört man denn noch solche Sätze! Daß jemand sagt: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Ich widerrufe nicht! Der Mann blieb sich weiterhin treu, indem er erklärte, daß es sinnvoll wäre, in künftigen Unglücksfällen, „nicht nur die Steuerzahler heranzuziehen“. Trichet aber favorisierte dies, als er die Position Deutschlands kritisierte, private Gläubiger, also Banken, an der Sanierung von Schuldenstaaten zu beteiligen.
Umkehr ist oft Abkehr
Zum Euro-Rettungsschirm meint Weber: „750 Milliarden müßte meines Erachtens reichen, um den Markt zu überzeugen, daß eine Attacke auf den Euro nicht erfolgsversprechend ist. Wenn es nicht reicht, dann wird man entsprechend dieses Commitment erhöhen müssen.“ Wer souverän handelt, wer klar redet und nicht laviert, wer in hoher Position seine Verantwortung nicht wegzudelegieren bereit ist, wer seiner Sacharbeit Priorität vor Sektempfängen einräumt und wer nicht um jeden Preis höflich-devot alles mitzuspielen bereit ist, der setzt sich in der Berliner Republik reflexartig dem Pauschalvorwurf der Arroganz aus.
Meine Sympathien für die Rolle der Deutschen Bank halten sich in Grenzen; aber wenn einer wie Weber die Nase voll hat von der lauen Bundesregierung und den EU-Funktionären und dann den Bettel hinwirft, weil in der privaten Wirtschaft auf Klartext ohne Empfindlichkeiten gesetzt wird und man so aus dem anstrengenden Geeier herauskommt, dann mag es charakterlich vorbildlich sein, wenn man geht, obwohl einem höchste Weihen versprochen waren. Er ist nicht der Erste der Starken, die die Bühne der Bundespolitik verlassen. Die Liste der für Kompetenz und Charisma stehenden Namen wird immer länger. Umkehr ist oft Abkehr.