Die der untergehenden DDR entstammende Wendehalsigkeit, mit der sich Angela Merkel derzeit beinahe zur Atomkraftgegnerin wandelt und außenpolitisch plötzlich an der Seite Rußlands und Chinas wiederfindet, wird ihrer Partei trotz „German Angst“ und Pazifismus keine Sympathiepunkte bei den bezitterten Landtagswahlen in Baden-Württemberg einbringen. Auch das als Sieg interpretierte Wahlergebnis der CDU in Sachsen-Anhalt – 32,5 Prozent bei 51,2 Prozent Wahlbeteiligung – kann kaum als Wende betrachtet werden.
So pazifistisch sind die Deutschen nämlich gar nicht; es kommt auf die Feindbilder und deren Inszenierung an: Gegen den Irak-Krieg und für Gerhard Schröders – von der „Transatlantikerin“ Merkel bekämpften – Kurs war eine Mehrheit, weil George W. Bush gegenüber Saddam Hussein damals als größere Friedensbedrohung galt (zumal letzterer, anders als die von Afghanistan aus operierende Al-Kaida, den Westen nicht akut bedrohte) und weil die Propaganda von den irakischen Massenvernichtungswaffen allzu unglaubwürdig erschien.
Auf der Seite der palavernden Zauderer
Der heutige amerikanische Gegenspieler des allgemein als irrer Despot dargestellten Gaddafi ist freilich der Friedens(Nobelpreis-)Engel Obama, dem niemand einen als „Kreuzzug gegen das Böse“ verbrämten Krieg ums Öl ernsthaft zutraut. Zudem zeigen die Massenmedien junge, für Demokratie kämpfende Menschen, die man doch nicht im Stich lassen darf. Endlich ist klar, wer gut und wer böse ist! Und Merkel hat sich in den Augen „werteorientierter“ Gutmenschen mit ihrem um das Überleben seiner Partei ringenden Außenminister auf die Seite der palavernden Zauderer, also de facto der Bösen, verrannt.
Dem Häuflein aus Merkel-CDU, in Agonie liegender FDP und prinzipiell antiwestlicher Linkspartei steht eine ebenso schillernde Front gegenüber, allen voran die obersten Einpeitscher grüner Kriegspolitik, Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit: Ersterer schämt sich in der Süddeutschen für das „Versagen unserer Bundesregierung“ und wirft dem Außenminister in seiner Flegelsprache vor, „den Schwanz einzuziehen“; letzterer preist im Spiegel-Interview eine „Befreiungsbewegung, die es fast aus eigener Kraft geschafft hätte, einen Diktator zu stürzen“, und bemüht – ähnlich wie Fischer seinerzeit ein drohendes Auschwitz auf dem Balkan erfand – allen Ernstes das Warschauer Ghetto als Parallele zur Rebellenhochburg Bengasi.
Hintermänner der libyschen Freiheitskämpfer ausgeblendet
Führte Gaddafi nicht selbst 1969 in den Augen der „antiimperialistischen“ Linken eine „Befreiungsbewegung“ an, als er den libyschen König Idris stürzte, sodann die Ölvorräte des Landes verstaatlichte, die Alphabetisierung der Bevölkerung vorantrieb und trotz der ungeheuren Bereicherung seines Clans den allgemeinen Wohlstand steigerte? Und warum erfahren wir eigentlich so wenig über Organisationen, Geldgeber und Hintermänner der heutigen libyschen „Freiheitskämpfer“, von denen sogar der Spiegel berichtet, daß sie tatsächliche oder vermeintliche Gaddafi-Anhänger massakrieren?
Die auf westliche Geheimdienstaktivitäten spezialisierte Zeitschrift Geheim vom 19.03.2011 nennt vor allem die „National Front for the Salvation of Libya“, die „Libyan Constitutional Union“ sowie die „Islamic Fighting Group“, die seit vielen Jahren geheimdienstlich unterstützt würden. Seit Beginn des Aufstandes hätten auch militärische Spezialeinheiten in Libyen operiert, den Rebellen Waffen geliefert und logistische Hilfe geleistet. Der Krieg gegen Gaddafi – der sein Öl, worauf Michael Wiesberg in seiner JF-Kolumne vom 14. März hingewiesen hat, in Zukunft vor allem nach China und Indien exportieren wollte – habe somit schon lange vor der UN-Resolution 1973 begonnen.
Wahlkampf statt souveräner Außenpolitik
Dazu paßt, daß diese nicht nur, wie zunächst allgemein gefordert, die Einrichtung einer Flugverbotszone, sondern auch die Bekämpfung von Bodentruppen zum Schutz der Zivilbevölkerung erlaube. Da Gaddafi aufgrund seiner gewaltigen, wahrscheinlich im Süden an den Grenzen zu Tschad und Niger gebunkerten, Goldreserven zu einer längeren Kriegführung fähig ist, wird man wohl sukzessive weitere Maßnahmen ergreifen müssen.
Deutschland hat, wie der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann (CSU) bejammert, „zum ersten Mal seit 1949 einen Alleingang gewagt“ – ob man darin nicht nur hilflosen Wahlkampf, sondern eine eigenständige Außenpolitik erkennen kann, ist fraglich, aber zumindest kein Grund, sich dafür mit Naumann, Fischer oder Cohn-Bendit, zu „schämen“.