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E10: Brot im Tank

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Die Behauptung, das neue Ökobenzin E10 verteure die Lebensmittel und vergrößere die Hungersnot in der Welt, wird von seinen Befürwortern auf das Heftigste bestritten. Der Deutsche Bauernverband (DBV) wiegelt ab, nur zwei Prozent der deutschen Anbaufläche würden zur Herstellung von Bioethanol verwendet und darauf würde nur Futtergetreide angebaut, das für die Verwendung als Lebensmittel ungeeignet sei. Der weltweite Anstieg der Lebensmittelpreise sei der allgemein gestiegenen Nachfrage zuzuschreiben.

Dagegen zeigt sich die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) besorgt über den zunehmenden Einsatz von Agrarrohstoffen für die Energieerzeugung und sagt für 2011 eine Preissteigerung von zirka drei Prozent bezogen auf den gesamten Lebensmittelbereich voraus. In einzelnen Sektoren wie beispielsweise bei den Fleischprodukten können die Preiserhöhungen sogar bis zu 20 Prozent betragen.

Gewinnmaximierung und Verlustminimierung

Wenn Landwirte versuchen, angesichts der politischen Vorgaben einen möglichst großen Gewinn ihres Betriebes zu erzielen, ist das nicht nur verständlich und legal, sondern vielfach auch die einzige Chance, überhaupt einen Gewinn zu erreichen und die Existenz ihres Hofes zu sichern. Profitables Wirtschaften bewirkt aber nicht automatisch einen horrenden Überschuß der Agrarunternehmen. Das marktwirtschaftliche Prinzip der Gewinnmaximierung dient gleichzeitig auch der Verlustminimierung.

Gegen drohende Verluste hilft natürlich eine zusätzliche Verwendung landwirtschaftlicher Güter in Form der E10-Benzinbeimischung. Landwirte werden grundsätzlich mehr von den Produkten erzeugen, die einen höheren Preis erzielen. Weizen für Brot und andere Lebensmittel wird in Deutschland gut bezahlt, weniger dagegen Futterweizen. Da ist dann die alternative Produktion von Bioethanol profitabler. So erklärt sich der Preisanstieg der pflanzlichen Futtermittel für die Fleisch- und Milchproduktion gegenüber dem Vorjahr um 80 bis 90 Prozent.

Umstellung der Produktion in Entwicklungs- und Schwellenländern

Im internationalen Handel verleiten die hohen europäischen Preise für Bioethanol zur Umstellung der agrarischen Produktion insbesondere in den Entwicklungsländern und Schwellenstaaten. Viele Länder wie Brasilien besitzen nicht nur große Erfahrung in der Produktion, sondern verwenden den Bio-Sprit auch seit vielen Jahren selbst – in weitaus höheren Beimischungen als E10. Die explodierende internationale Nachfrage bietet diesen Ländern nun eine willkommene Möglichkeit, den Außenhandel zu lukrativen Bedingungen zu verstärken.

Da in den Entwicklungs- und Schwellenländern das Preisniveau für Lebensmittel im Vergleich zum europäischen Raum extrem niedrig ist, werden die Agrarbetriebe dieser Länder schnellstens und umfassend ihre Produktion von der Lebensmittel- auf die Bioethanol-Produktion umstellen. Der damit einhergehende Preisauftrieb für Lebensmittel ist schon jetzt dort spürbar und wird zwangsläufig zu Hungersnöten bei den armen Bevölkerungsteilen führen.

Ökologische Folgen: Rodung des Regenwaldes

Dennoch halten die politischen Machthaber in Europa und Deutschland an dem Ziel fest, im EU-Spritverbrauch einen Anteil von zehn Prozent Bioethanol bis 2020 durchzusetzen. Laut Greenpeace ist zu dessen Erzeugung eine landwirtschaftliche Nutzfläche von der Größe Österreichs erforderlich. Der einträgliche Preis wird möglicherweise Brasilien, China oder Indien dazu verführen, die erforderliche Fläche im subtropischen Regenwaldgürtel der Erde zu roden.

Andere als ökologische Gründe sind den europäischen Politikern offensichtlich für das Festhalten am E10-Benzin gewichtiger. Eine größere Unabhängigkeit vom Erdöl kann es nicht sein, da die Einsparungen an mineralischen Bestandteilen durch den Mehrverbrauch weitgehend entfallen. Ein Festhalten mit der Ansicht, jede politische Fehlentscheidung wird auf Dauer von der Bevölkerung akzeptiert, man muß nur lange genug darauf beharren, dürfte ebenfalls kaum Bestand haben, denn die Bevölkerung ist beim Thema E10 hochgradig sensibel. 

Staatliche Einnahmesteigerung durch Mehrverbrauch

Es bleibt der finanzielle Aspekt. Das Diktat des verstärkten E10-Verbrauchs  steigert in jedem Falle die Einnahmen des Staates. Mehrverbrauch und die allgemeine Preiserhöhung bei allen Spritsorten erhöhen die Einnahmen aus der Mineralölsteuer und der auf den Netto-Benzinpreis aufgeschlagenen Mehrwertsteuer.

Die Mineralölsteuer ist zwar seit dem 1. Januar 2003, nach der letzten Phase des Aufschlags durch die sogenannte Öko-Steuer, auf 65,45 Cent pro Liter fixiert, das Gesamtvolumen steigt aber durch den Mehrverbrauch. Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer wachsen dagegen sowohl aufgrund des Mehrverbrauchs als auch aufgrund der Preiserhöhung.

Eine Tankfüllung E10 enthält 18 Kilogramm Brot

Zusätzliche Staatseinnahmen sind durch die anstehenden Strafzahlungen seitens der Mineralölwirtschaft in Aussicht, falls die geforderte Menge E10-Benzin nicht abgesetzt wird. Um dies zu erreichen, muß die Mineralölwirtschaft zwangsläufig den Preis für das althergebrachte Super oder Super Plus kräftig anheben, um den Absatz von E10 attraktiv zu gestalten. Eine alternative Absenkung des E10-Preises verhindert die Kostenkalkulation des Bio-Sprits.

Der Fiskus ist somit in einer absoluten Gewinnerposition, egal wie der Autofahrer zum E10-Sprit steht. Das Beharren auf die E10-Einführung bringt auf jeden Fall höher Staatseinnahmen, wenn auch das konkrete Ausmaß kaum abschätzbar ist. Als Korrekturschraube bleibt den Politikern die Heraussetzung des Bioethanol-Anteils auf 10 plus x oder die Höhe der Strafzahlungen der Mineralölwirtschaft. Auf der Strecke bleibt der ethische Aspekt. Der höhere Bioethanol-Verbrauch verhindert die alternative Produktion von Lebensmitteln. Jeder Autofahrer sollte daher bedenken, eine Tankfüllung E10 enthält 18 Kilogramm Brot, wie das Bäckerhandwerk errechnete.

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