Es ist halb sechs morgens und schon erklingt eine scharfe Forderung aus dem Kinderzimmer: „Hunger, Hunger!“ Im elterlichen Halbschlaf wird das Frühstück vorbereitet, während schon das erste Saftglas umkippt: Ein nasses Kind schreit, während das andere in der Saftpfütze plantscht.
Nein, zwei quengelnde Kinder vor Sonnenaufgang sind nun wirklich keine Voraussetzung für Glück, denke ich. Damit unterscheide ich mich – zumindest in diesem vorbeifliegenden Augenblick – nicht allzu sehr von einem Drittel der Deutschen. Denn laut einer neuen Allensbach-Umfrage für die Bild am Sonntag gehören für jeden Dritten hierzulande Kinder nicht mehr zwangsläufig zu einem glücklichen Leben dazu.
Warum? Weil sie auch anstrengend sind und Arbeit machen? Nun, jeder, der Kinder hat, weiß, daß umgekippte Tassen Lappalien sind, die man eigentlich gar nicht zu erwähnen braucht. Genausowenig wie die bösen Blicke der Mitwartenden in der Supermarktschlange oder ihre vielen guten Erziehungsratschläge, wenn das eigene Kind mal wieder versucht, seinen Trotzkopf durchzusetzen. Denn solche Unannehmlichkeiten gehören nun mal zum Alltag mit Kindern dazu. Ja, auch unangenehme Dinge gehören grundsätzlich zum Leben dazu.
Die quengelnden Bälger in der Schlange
Aber, daß das nicht alles ist, daß Kinder eben auch eine andere, schöne und sinnstiftende Seite haben, das wissen nur die, die selbst Kinder haben. Und vielleicht ahnen es auch diejenigen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als ein eigenes Kind. Aber der stetig wachsende Rest derjenigen, die sich bewußt gegen Kinder entscheiden, die sehen nur das Negative – eben die quengelnden Bälger in der Schlange. Das Problem: Je weniger diese Menschen überhaupt in Kontakt mit Kindern kommen, desto mehr wächst die allgemeine Kinderfeindlichkeit: Ein Umkehrschluß also.
Daß Kinderfeindlichkeit hierzulande ein echtes Problem ist, bestätigt auch die Allensbach-Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Bundesfamilienministerium organisiert wurde: Mittlerweile bezweifelten sechzig Prozent der befragten, daß Deutschland ein kinderfreundliches Land ist. Ein gutes Klima für den Nachwuchs verspürten dagegen nur knapp ein Viertel (23 Prozent).
Deshalb ist es kein Wunder, daß Deutschland mit seiner niedrigen Geburtenrate (1,36 Kinder pro Frau) international den viertletzten Platz belegt. Das zeigt eine neue Studie der OECD, bei der 34 Industrie- und Schwellenländer untersucht wurden. Und das, obwohl Deutschland von außen betrachtet regelrecht kinderfreundlich wirkt: Schließlich investiert der Staat jährlich ganze 250 Milliarden Euro in Familien. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich sogar im oberen Mittelfeld.
Geld ist nicht alles
Doch offenbar ist Geld nicht alles – vor allem, wenn es falsch investiert wird. In den vergangenen Jahren wurden beinahe alle erdenkbaren Instrumente der Familienpolitik ausprobiert – ohne Erfolg. Doch eins wurde nicht verändert: Die Wertschätzung der Familie ist stetig hinter derjenigen für den Beruf geblieben. Das macht der Staat durch seine Investitionen (Elterngeld, Krippenausbau, Rechtsanspruch auf Teilzeit und Ganztagsschulen) mehr als deutlich.
Denn damit suggeriert er nicht nur, daß die Berufstätigkeit der Frau einen höheren Wert hat, als ihre Arbeit in der Familie, sondern auch, daß Kinder lediglich eine lästige, der Arbeit im Wege stehende Last sind, die möglichst schnell wegorganisiert werden müssen – um die Frau für den Arbeitsmarkt zu „befreien“. Wen wundert da noch die sinkende Geburtenrate?
Das Traurige daran: So lange hierzulande ein solches Klima herrscht, werden noch weitere Milliarden verpuffen, ohne daß ein einziges Kind mehr dadurch geboren wird. Statt dessen werden traurigerweise immer mehr Menschen glauben, sie könnten auch ohne Kinder echtes Glück erfahren.