Rainer Blasius läßt nicht locker. Nach etlichen kritischen Artikeln über die Historikerkommission, die im Auftrag des früheren Außenministers Joschka Fischer das Verhältnis zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Nationalsozialismus untersucht hat, legte der FAZ-Redakteur neulich im eigenen Blatt mit einer Besprechung des in Buchform vorliegenden Kommissionsberichts über „Das Amt“ nach.
Seine Vorwürfe sind detailliert und gewichtig. Die beteiligten Historiker hätten keine Archivarbeit geleistet, sie brächten nichts neues und viel unzutreffendes. Damit riskierten sie ihre „wissenschaftliche Seriosität“ und sie würden schließlich unfreiwillig selbst bestätigen, „daß sich die Studie ‚Das Amt’ an DDR-Pamphleten orientierte, in denen, propagandistisch geschickt, Richtiges mit Lügen und Entstellungen vermischt war“.
Dieser Punkt nun ist besonders treffend, aber Blasius umreißt ihn zu unscharf. Zunächst einmal ist es ja gerade die Pflicht von Geschichtswissenschaft, sich mit den zeitgenössischen Pamphleten ihres Forschungsgegenstands auseinanderzusetzen und sie inhaltlich zu prüfen. Dies hat beispielsweise der Autor dieser Zeilen mit nationalsozialistischen Äußerungen durchaus immer wieder mit Gewinn getan, denn vergangene Ereignisse und Motive lassen sich durch das Trennen von damals verbreiteter Wahrheit und Propaganda bestens erschließen. An der Methode, DDR-Pamphlete zu analysieren, gibt es also nichts auszusetzen. Problematisch wird es erst dort, wo solche zeitgenössischen Äußerungen ungeprüft übernommen werden.
Ungeprüft übernommen
Eben dies scheint aber das Problem der von Joschka Fischer eingesetzten Historiker-Kommission gewesen zu sein, wie es überhaupt ein Problem der Zeitgeschichtsforschung der letzten drei Dekaden ist, daß sie realsozialistische Deutungsmuster und Darstellungen immer gläubiger übernommen hat.
Ein sichtbarer Meilenstein waren hier die Wehrmachtsausstellungen des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die im Detail das in Moskau und Ostberlin entworfene Bild der deutschen Streitkräfte unhinterfragt kolportierten.
Das hat den Trend allerdings eher symbolisiert als ihn gesetzt. Im Untersuchungsbericht zum Auswärtigen Amt hat er nun einen weiteren symbolischen Höhepunkt erreicht, den nur so recht verstehen kann, wer ihn als Ausdruck der kategorischen Verachtung von faktenorientiert prüfender, rationaler und im politischen Sinn „bürgerlicher“ Wissenschaft begreift. Denn seriös – will nur der Bürger sein.