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Widerstand in der Volksbühne

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Berlin sei immer ein Nest des Widerstands gewesen. Kein Kaiserreich, keine Ideologie – ob Faschismus, Sozialismus oder Wirtschaftsliberalismus – konnte sie (bislang) einfrieren. Zu viele Risse durchfressen die Infrastruktur, als daß sie unter „eine Ordnung“ zu bringen wäre. So oder ähnlich sieht das Frank Castorf, Intendant der Berliner „Volksbühne“.

Die widmete der lokalen Widerstandsgeschichte nun ein Themen-Wochenende. Der offiziellen „Sei Berlin“-Werbung stellte man die Vision einer politisierten Metropole entgegen. Am Standort der Volksbühne, dem Rosa-Luxemburg-Platz, prangte auf einem Schild dessen früherer Name „Bülow-Platz“, während auf einer Leinwand Filme von Berliner Straßenkämpfen der Zwanziger Jahre liefen. Bereichert durch einen Chor, der vorm Eingang des Theaters alte Agitationslieder – und Sprüche abfeuerte („Böse bleiben/Banden bilden“).

Solch nostalgischer Polit-Vitalismus kontrastiert scharf mit dem verschlafenen Jetzt-Zustand von Berlin-Mitte. Man fürchtet, daß es diesmal gelungen sein könnte, daß eine emotionale Einebnung Berlins im diskreten Chic der „Neuen Mitte“ doch noch funktioniert hat.

Begriffe wie „Volk“ oder „Klassen“ wurden beidseitig dekonstruiert

Innerhalb des Theaters genoß man die Qual der Wahl zwischen zahlreichen Kleinveranstaltungen: Im Foyer liefen Berlin-Stummfilme aus den Jahren 1910-1929, Phil Jutzi- und Asta Nielsen-Raritäten, gekurbelt durch einem Filmprojektor anno 1916. Auf allen Etagen bot man Szenisches, Musikalisches, Kabarettistisches, auch dies eine wehmütige Hommage an frühere Kunstformen. Ein Höhepunkt war die Rekonstruktion des historischen Radioduells zwischen dem kommunistischen Theaterregisseur Erwin Piscator und Josef Goebbels um 1930.

Hausherr Castorf las den Goebbels-Text während Gregor Gysi dem Regisseur Piscator seine Stimme lieh. Neben erwartungsgemäßem Zwist (Piscator sah den künstlichen Impuls in internationalen, rein menschlichen Problemen begründet, während Goebbels die Bedeutung der Lokal- und Volksseele betonte) kam unfreiwillig ein Hochmaß an Gemeinsamkeit hervor: Beide verlangten das Ende der bürgerlichen Gesellschaft und wollten die totale Revolution. Begriffe wie „Volk“ oder „Klassen“ wurden beidseitig dekonstruiert.

Goebbels lehnte sogar eine „Links“- oder „Rechts“-Einordnung seiner Partei ab. Ohnehin gab sich der NS-Propagandist weitaus radikaler als sein kommunistischer Gesprächspartner, der schüchtern eine Politik der Kompromisse vertrat. Castorf las den Goebbels-Part mit ironischer Brechung, wenn dieser immer gleiche Argumente mit neuen Worten wiederholt oder US-Autoren wie Jack London per se jede Originalität abspricht. Goebbels wie Piscator agierten im gleichen politischen Feld, auf dem sozialen Abgrund der Weimarer Republik.

Als Therapie postulierten sie Systeme, die das Elend von 1918-33 noch astronomisch übertreffen würden. Solche strukturelle Ähnlichkeit provoziert weitreichende Fragen zum Thema „Widerstand“: Führt „revolutionäre“ Politik immer ins Rücksichtslose, Menschenverachtende? Ist Revolution grundsätzlich eine „Maske des Todes“ (Heiner Müller)? Wenn dem so ist: Darf sich Widerstand dann nur „evolutionär“ regen, sich bloß im Rahmen von Reformen bewegen, mittels Demonstration und E-Mailpetition?

Superhelden gegen Hitler

Den krönenden Abschluß bot Ex-Underground-Regisseur Jörg Buttgereit, der durch Filme wie „Nekromantik” (1988) und „Der Todesking” (1992) zu Weltruhm gelangt ist, mit seiner „Captain Berlin versus Hitler“-Inszenierung. Diese Figur, eine Hommage an die Protagonisten der Superhelden-Comics wie „Captain America“ (1941) oder „Captain Marvel“ (1939), kämpft nach dem Krieg gegen den Erzschurken Adolf Hitler.

Der Ex-Diktator lebt versteckt, seit die ehemalige SS-Ärztin Ilse von Blitzen sein Gehirn in einen Roboterleib verpflanzte, ihn als mechanisches Alien über die Bühne rollen läßt. Als ob das nicht genug wäre, tritt noch ein weiterer Bluttrinker, Graf Dracula, hinzu. Captain Berlin muß beider Eroberungsgier stoppen… Mit dieser Trash-Inszenierung vollzieht Buttgereit einen historischen Exorzismus. Aber anders als Hans-Jürgen Syberberg, der in seinen „Hitler – Ein Film aus Deutschland“ (1977) eine Erlösung des NS-Traumas durch das Wagnersche Gesamtkunstwerk propagierte, sucht Buttgereit die „Erlösung im Trash“.

Bereits als Teenager lieferte er mit dem 8-mm-Film „Blutige Exzesse im Führerbunker“ (1982) eine wahnwitzige NS-Parodie, darin ein Kampfgenosse von Herbert Achternbusch oder Christoph Schlingensief, deren Trash-Ästhetik zu unterscheiden ist von filmischen Hitlersatiren à la Chaplin, Lubitsch oder Mel Brooks. Der Widerstand durch Captain Berlin gegen den reanimierten Hitler ist zugleich Widerstand gegen das Hitler-Trauma. Das oft beklagte Destruktionspotential der Trash-Kultur, in der Traumatherapie findet es friedliche Nutzung, egal ob bei individuellen oder kollektiven Traumata.   

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