Eine wichtige Hürde nahmen gestern die Verfechter von Englisch als Gerichtssprache in Deutschland. Am Freitag stimmte der Bundesrat dem Gesetzentwurf zu, den Nordrhein-Westfalen und Hamburg eingebracht hatten. Hessen und Niedersachsen hatten sich bereits vorher den Antragstellern angeschlossen.
Der Bundesrat schlägt damit die Warnungen des Präsidenten des Bundesgerichtshofs („Es drohen Fehlurteile“) in den Wind und bringt den Antrag in den Bundestag ein. Dort geht der Gesetzentwurf zuerst der Bundesregierung zur Bewertung zu. Binnen sechs Wochen wird sie ihn dem Bundestag zusammen mit einer Stellungnahme vorlegen.
Nach Auffassung des Bundesrats leidet der „Gerichtsstandort Deutschland“ darunter, daß gemäß Paragraph 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes „noch immer nur Deutsch als Gerichtssprache bestimmt“ ist, heißt es in einer Presseerklärung. Denn bedeutende wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten würden im Ausland ausgetragen, weil die Sprache in zahlreichen Verträgen Englisch ist.
Was spricht gegen Englisch?
Die vier Hauptgründe, die gegen Englisch als Gerichtssprache in Deutschland sprechen, seien hier nochmals zusammengefaßt:
– Die deutsche Öffentlichkeit wird ausgeschlossen, da die Englischkenntnisse der weitaus meisten Bürger nicht ausreichen, der Verhandlung folgen zu können.
– Die Steigerung der Staatseinnahmen oder der Gewinne einzelner Großkanzleien, die sich auf Englisch spezialisiert haben, darf nicht zum Ziel der Rechtsprechung gemacht werden.
– Das Rechtssystem spiegelt sich in der Sprache wieder. Deutsches Recht kann am besten auf deutsch verstanden werden. Für zahlreiche deutsche Rechtsbegriffe gibt es keine völlig eindeutige Entsprechung im Englischen, das durch das angelsächsische Rechtssystem geprägt ist.
– Englisch als Gerichtssprache ist ein Trojanisches Pferd, das die Stellung der deutschen Sprache im eigenen Lande weiter untergräbt.
Wirtschaftlicher Nutzen fraglich
Die Wirtschaftlichkeit der tiefgreifenden Gesetzesänderung ist indes fraglich. Während der Wirtschaftsausschuß des Bundesrats den Gesetzentwurf so, wie er war, guthieß, erkannte der Rechtsausschuß mehrere handwerkliche Mängel und erarbeitete zahlreiche Ergänzungen.
So war zum Beispiel übersehen worden, daß ein etwaiger Dritter bei der Verkündung eines Rechtsstreits geschützt werden muß. Der Dritte müsse verlangen können, daß die Streitverkündungsschrift ins Deutsche übersetzt werde. Im Falle eines Beitritts zum Rechtsstreit müsse er außerdem fordern können, daß ein Dolmetscher hinzugezogen oder das Verfahren in deutscher Sprache fortgeführt werde.
Allein dies würde den ganzen versprochenen wirtschaftlichen Vorteil zerstören, ja ins Gegenteil verkehren. Insgesamt bestände nach der Gesetzesänderung für einen Ausländer immer noch große Unsicherheit, daß ein Rechtsstreit in Deutschland auch wirklich bis zum Ende in englischer Sprache geführt werden kann. Der „Gerichtsstandort Deutschland“ dürfte also keineswegs den erwarteten Zulauf erhalten.
In Bonn wird erstmals auf englisch verhandelt
Obwohl der Bundestag das Gesetz noch gar nicht angenommen hat, versucht der Präsident des Kölner Oberlandesgerichts Tatsachen zu schaffen. Auf seine Initiative wurden in den Landgerichten Köln, Aachen und Bonn Kammern für internationale Handelssachen eingeführt, in denen die Prozeßparteien auf englisch verhandeln können. Beim Oberlandesgericht gibt es einen entsprechenden Berufungssenat.
Wer kommt nach Bonn, um für die deutsche Sprache einzutreten und gegen den Verstoß gegen das Gerichtsverfassungsgesetz zu protestieren?