Das schöne Frühlingswetter lädt ein, hinaus zu gehen in die neu erwachende Natur und die Festtage zu einem Spaziergang zu nutzen. Wie bei einem solchen Osterspaziergang sehr schnell der eigene Glaube zum Thema werden kann, zeigt uns schon die klassische Literatur. In Goethes Drama „Faust“ wird dieser von Gretchen bei einem Spaziergang am Ostertag gefragt, wie er es mit der Religion halte.
Faust weicht der Frage Gretchens zunächst aus. Dann bekennt er sich zum Glauben an den „Allumfasser“ und „Allerhalter“ und lässt so eine pantheistische Gottesauffassung durchblicken. Sein Gott „webt in ewigem Geheimnis unsichtbar neben dir.“ Faust gipfelt in dem Satz „Gefühl ist alles.“ Die Parallele zur heutigen Zeit ist offensichtlich.
Zwar wird in den Feuilletons die „Rückkehr der Religion“ beschworen, doch es ist eine vage Religiosität, die heute den größten Anklang findet. Nicht nur in esoterischen Kreisen wird heute Religion in den Bereich subjektiver Erfahrung zurückgedrängt und oft mit Gefühl gleichgesetzt. Selbst der primitivste Aberglaube feiert fröhliche Urständ.
Das souveräne Handeln Gottes wird sichtbar
Das Osterereignis zeigt: Der Christ glaubt nicht an etwas, das er nur fühlt oder sich selbst ausgedacht hat. Daß Gott Mensch wird, daß Gott für uns Menschen leidet und stirbt, daß er nach drei Tagen aus dem Grab aufersteht – all das liegt so fern menschlicher Gedankenspekulation, daß hierin das souveräne Handeln Gottes sichtbar wird.
Den göttlichen Heilsplan, der hier sichtbar wird, hätte sich kein Mensch ausdenken können. Wer die Osterevangelien liest, entdeckt jedesmal die Bestürzung derjenigen, die da zum Grab kommen und es leer vorfinden. Das Ereignis, das hier stattfindet kann also nicht dem Wunschdenken der Jünger entsprungen sein.
Ebenso bleibt festzuhalten: Nirgendwo in der ganzen Bibel wird das Ereignis der Auferstehung Jesu selbst berichtet. Die Frauen und später die Apostel, die zum Grab kommen, finden lediglich Indizien dieses bereits geschehen Ereignisses vor. Und sie hören die Botschaft „Er ist auferstanden. Er ist nicht hier.“
Diese Botschaft geben sie sofort weiter an die übrigen Jünger. Die Jünger damals haben uns heutigen also gar nicht so viel voraus. Auch ihr Glaube an die Auferstehung des Herrn wurzelt im Hören der Botschaft und im Vertrauen, das sie jenen Glaubenszeugen schenken, die diese Botschaft verkünden.
Widerspruch zur esoterischen Auffassung
Auch hier steht der christliche Glaube im Widerspruch zur esoterischen Auffassung, nach der es auf die eigene Glaubenserfahrung ankommt. Vom Hören zum Glauben zu gelangen, das ist für den Anhänger einer modernen Religiosität ebenso unmöglich, wie es dies für Faust war.
Faust hörte die Botschaft der Auferstehung zwar, doch konnte er den entscheidenden Schritt nicht vollziehen. Bereits in der Eingangsszene des Goetheschen Dramas hört er die österlichen Gesänge der Menschen, die aus dem Auferstehungsgottesdienst kommen, und ruft aus: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“
Die Gretchenfrage ist auch zweihundert Jahre nach Goethes Meisterwerk immer noch aktuell und man wird an jedem christlichen Festtag mit ihr konfrontiert. Das Christentum steht heute vor einer neuen Herausforderung. Eine verstärkte religiöse Fragestellung in der Gesellschaft fordert von allen, die sich zum christlichen Glauben bekennen, ein Bekenntnis zu den Glaubensinhalten sowie ein gelebtes Glaubenszeugnis, das die Fragenden zu Christus hinführt, damit sie in ihm die Fülle der Wahrheit finden.