Die Kunstform des Comics ist aufs engste mit Lautmalerei (Onomatopoesie) assoziiert, die sich mittels Fettdruck in die Bilder schreibt: Krach! Zack! Knall! Bong! Quiiiietsch! Fetz! Kokel! Und so weiter. Allerdings fällt auf, daß die frühen Comics der 20. Jahrhundertwende über diese Kunstsprache noch gar nicht verfügen, statt dessen nur Bild, Textleisten und Sprechblasen einsetzen.
Das Lautmalen kam erst 30 Jahre später hinzu und entstand in zeitlicher Parallele zur modernen Literatur. Die bedurfte solcher Ausdrucksform, um die zuvor unbekannte Lärm-Dimension moderner Technik und deren Anwendung im ersten Weltkrieg zu fixieren.
Viele Rezensionen zu Jüngers frisch publiziertem Kriegstagebuch vermerkten dessen comicartige Lautmalerei, wie die vielzitierte Reihung: „Bum, bum, huiuiui, huiui, Bautz, Bautz“. Aber war das nicht ästhetische Notwendigkeit? Welches Wort aus dem herkömmlichen Sprachschatz konnte die Explosion einer Granate noch bannen? War der künstlich erzeugte Donnerknall oder gar der Schrei eines sterbenden Soldaten nicht das Ende der (verbalen) Sprache?
Das soldatische Sinn-Gewebe durfte keine Risse aufweisen
Der Ethnologe Michel Leiris lernte vom afrikanischen Volk der Dogon, daß „Wort und Gewebe miteinander verbunden sind.“ Deshalb „kann man versichern, daß der Schrei, mit seiner abrupten Gewalt, tatsächlich ein Loch oder ein Riß im Gewebe der Sprache des gesellschaftlichen Lebens ist.“ Der Krieg als Riß im gesellschaftlichen Gewebe wird in Jüngers Kriegstagebuch durch Lautmalerei dokumentiert, während die späteren „Stahlgewitter“ (1920 ff) beides abschwächen: mal ein „Krrrach”, mal ein „Pschschscht”, mehr nicht.
Das war nicht bloß Konzession an den klassischen Sprachgebrauch, sondern auch dem ideologischen Überbau geschuldet, den Jünger „seinem“ Krieg überstülpte. Da durfte das soldatische Sinn-Gewebe keine all zu starken Risse mehr aufweisen. Erst nach 1934 integrierte der Autor einen lautmalerischen Schrei in die Schlachtbeschreibung: „Ein Schatten schlug mit quälendem Aufschrei rücklings ins Drahtverhau. Es war dies ein schrecklicher Schrei, etwa: Uwäh, – wie ihn der Mensch nur findet, wenn ihm ein Gespenst entgegentritt.“
Noch später, in der 1978er Version, verkürzt der Autor das „Uwäh“ zum „Uäh“. Warum? Jünger kannte Bedeutung und Wirkung von Vokal und Konsonanten, erklärt in „Lob der Vokale“ (1934): „Im Vokal ruht die Einheit, der Konsonant trägt das Mannigfaltige hinzu.“ Vor allem der Konsonant „W“ besitze eine „merkwürdige Beziehung zum Wasser und darüber hinaus zum Gleichgewicht“. Das „W“ im „Uwäh“ zu streichen, bedeutet demnach, das „Gleichgewicht“ zu eliminieren, den „einen“ Schmerz zu fixieren. Der Riß der Moderne, manifestiert im Schmerz des sterbenden Individuums, erfährt sprachliche Zuspitzung.
Lärmorgien der Kriege
Auch andere literarische „Spitzenreiter“ der Moderne brauchten jahrelangen Abstand, um diesen Riß „lautzumalen“. Louis F. Célines „Guignols Band“ (1944), ein weiteres Werk über den Schock des ersten Weltkriegs, wird non-stop von Neologismen wie „Bradumm! Pang! Bing! Bang! Wloff!“ durchzogen. Indem der Autor sie kursiv drucken ließ, sprengte er die Einheit des Textgewebes ein weiteres mal.
Natürlich trieb James Joyce auch solches „Sprachspiel“ auf die Spitze, als er den „Finnegans Wake“ (1939) mit einem Knall beginnen ließ, der sowohl den „Big-Bang“ an der Wallstreet 1929, den Donner des Sündenfalls und die Lärmorgien der Kriege zusammenfaßte: „bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthunntrovarrhounawnskawntoo-hoohoordenenthurnuk!” Ein erdumfassender Knall, folglich aus zahlreichen Sprachen montiert.
Ab 1930 hielt die Lautmalerei auch im Comic ihren Einzug. Deren Buchstaben werden größer geschrieben als die Wörter der Sprechblasen, das heißt sie „übertönen” die gesprochene Sprache. Die moderne Welt produziert Lärm, der das soziale Sprachgewebe zerreißt. Das gilt nicht nur für Auto- oder Maschinenlärm, sondern auch in der Freizeitkultur: In Clubs ist man bereit, verbale Kommunikation im Krach der Beats endgültig zu zerfetzen. Nur der zuckende, tanzende, schweigende Körper bleibt übrig. Zuckend wie im Trommelfeuer einer MP. Roland Bubik hatte recht, als er Techno mit Stahlgewittern assoziierte.