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Königliche Freiheit

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Darzustellen, „wie es wirklich gewesen war“, ist nach Leopold von Ranke die vornehmste Aufgabe des Historikers. Da die überlieferten Fakten nur in der jeweiligen zeitgenössischen Interpretation zu uns sprechen, kommt dem Historiker auch die Rolle des deutenden Erzählers zu, die ihn in die Nähe des – die Eigenleistung des Interpreten und dessen geschichtliche Stellung reflektierenden – Philosophen, aber auch an die Seite des Romanautors oder Dichters führt.

Zuweilen läßt er sich dafür gewinnen (oder kaufen), die Vergangenheit zu verherrlichen, und in manchen Fällen mag er auch das Recht haben, über sie Gericht zu halten – dann ist er freilich eher Moralist oder Politiker.

Seine Hauptaufgabe besteht darin nicht; und gerade wenn man tatsächlich aus der Geschichte etwas für Gegenwart und Zukunft lernen will, muß man sie erst einmal zu verstehen suchen, indem man sich möglichst in die Menschen vergangener Zeiten hineinversetzt, um die Motive ihres Handelns nachzuvollziehen.

„Freude, daß das Vaterland zurückkommt“

Die schwedische Königin Silvia hat sich offenbar an solchen Grundlagen historischen Verständnisses orientiert, als sie sich neulich in einer Fernsehsendung erstmals über die NSDAP-Mitgliedschaft ihres deutschen Vaters Walther Sommerlath äußerte:
„Man muß sich erinnern, wie Deutschland sich plötzlich aus der Asche erhob. Diese Freude, daß das Vaterland zurückkommt, die machte, daß mein Vater Deutschland unterstützte, und da wurde er Parteimitglied. Aber politisch aktiv war er nicht.“

Inwiefern er tatsächlich nur ein von Hitler getäuschter Patriot war, der 1934 (in Brasilien) der NSDAP beitrat und 1938 nach Deutschland zurückkehrte und als Unternehmer tätig war, bleibt nach diesen vagen Bemerkungen zwar noch immer fraglich.

Gleichwohl ist die hier zum Ausdruck kommende Haltung gegenüber der Geschichte sinnvoller als die Phrasen-Abschreiberei der schwedischen Medien, die sich darüber „empören“, daß die Königin den Nationalsozialismus „verharmlose“.
Besonders hat sich bei dieser Kampagne der Zeitgeschichtler Henrik Arnstad hervorgetan.

Von Interessengruppen und Medien unabhängig

Seine Auslassungen sind insofern bemerkenswert, als er den deutschen Umgang mit dem Nationalsozialismus beziehungsweise mit Personen, die einen Fußbreit von den herrschenden Deutungslinien abweichen, als vorbildlich anpreist: In Deutschland wären Königin Silvias Ansichten „heute unmöglich“ und würden ein gewähltes Staatsoberhaupt „zum Rücktritt zwingen“.

Wenigstens darin mag er recht haben: „Freut euch also, daß ihr noch eine Königin habt!“, würde ich den Schweden daher gerne zurufen. Zeigt sich hier nicht wieder einmal der Vorteil, den Gesellschaften, die über eine die demokratische Verfassung ergänzende monarchische Institution verfügen, gegenüber „rein demokratischen“ Staaten haben?

Der Monarch ist nicht von Wahlen abhängig, kann und muß nicht wegen Äußerungen, die den gerade aktuellen Sprachregelungen widersprechen, zurücktreten. Er hat im Gegensatz zu gewählten Politikern, die von Interessengruppen und Medien abhängig sind, zumindest tendenziell die Möglichkeit, sich freie, über dem Zeitgeist und dem inszenierten Gezänk der Parteien stehende Meinungen zu leisten (und wird trotzdem, aufgrund seiner herausragenden Stellung, nicht totgeschwiegen).

„Gemischte“ Verfassung als beste Staatsform

Da er außerdem Kultur und Tradition seines Landes verkörpert, verfügt er nicht nur negativ über Unabhängigkeit vom Zeitgeist, sondern schöpft auch aus etwas Positivem oder bringt dieses – das Wesen von Land und Volkstum und darüber hinaus sogar ein metaphysisches Prinzip – im Idealfall sogar zum Ausdruck.

Leicht mache ich es mir nicht mit diesen Gedanken; auch monarchisch und aristokratisch verfaßte Staatsformen haben ihre Schattenseiten und neigen zu charakteristischen Entartungen, und das demokratische Prinzip, die Bürger zu fragen, was, wie in der Schweiz, in möglichst direkter Form geschehen sollte, ist unbedingt zu befürworten.

Das beste Modell ist daher wohl die „gemischte“ Verfassung, in der ein Monarch oder andere übergeordnete Institutionen und Prinzipien den Bürger vor dem Herrschaftsanspruch der Parteien, der Vormundschaft der Medien und der Ausbeutung durch die Wirtschaft beschützen.

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