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Freie Meinungsäußerungen

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Seit einigen Tagen werden mehr und mehr Details über das Zusammenspiel von Investmentbanken und Rating-Agenturen bekannt. Was da zum Vorschein kommt, müßte eigentlich dazu führen, die Systemfrage zu stellen. Der amerikanische Senat konnte sich bisher aber nur dazu durchringen, eine „Clearingstelle“ schaffen und für mehr Wettbewerb unter den Agenturen sorgen zu wollen. Überdies sollen eigene Standards für die Bewertung von Kreditwürdigkeit ausgearbeitet werden.

Es erscheint zweifelhaft, ob das Oligopol der großen drei amerikanischen Rating-Agenturen, nämlich Moody’s Investors Service, Standard & Poor’s Corporation sowie Fitch Ratings, die den „Rating-Markt“ zu rund 95 Prozent unter sich aufgeteilt haben, mit diesen Maßnahmen aufgebrochen werden kann. Damit haben sie nicht nur auf dem Markt in den Vereinigten Staaten eine alleinige Machtstellung inne, sondern mehr oder weniger weltweit.

Sie sind aufgrund dieser Konstellation überdies ein wesentliches Instrument der weltweiten Finanzhegemonie; vor allem deshalb ist nicht zu erwarten, daß der Einfluß der (privaten) Rating-Agenturen wirklich eingeschränkt wird. Wie ungebrochen deren durch nichts legitimierte Macht ist, zeigt sich unter anderem bei der Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands beziehungsweise der bloßen Androhung in Richtung Portugal und Spanien, auch deren Bonitätseinstufung absenken zu wollen.

„National anerkannte Rating-Organisationen“

Die Machtstellung der drei großen Rating-Agenturen geht auf die dreißiger Jahre zurück. Damals verpflichtete die amerikanische Börsenaufsicht SEC die Banken darauf, ausschließlich Wertpapiere zu halten, die Rating-Agenturen mit Bestnoten bewertet haben. Im Laufe der Jahrzehnte wuchsen die Agenturen dann zu „national anerkannten statistischen Rating-Organisationen“ heran, bekamen einen mehr oder weniger „offiziösen“ Anstrich.

Papiere, die durch die „großen Drei“ bewertet wurden, hatten so etwas wie ein Gütesiegel. In Europa erfolgte mittels „Basel II“ (das ist der Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht) eine signifikante Aufwertung der Rating-Agenturen. Seitdem müssen auch europäische Banken die Eigenkapitalanforderungen im Kreditgeschäft am Rating orientieren.

Profit aus dem „Kollaps des Marktes“

Jetzt stehen die „großen Drei“ im Geruch, vor Ausbruch der Finanzkrise mit Investmentbanken bei der Bewertung von Finanzprodukten gekungelt zu haben. Von seiten der Banken, so schreibt zum Beispiel die Wirtschaftswoche, soll es „massiven Druck“  auf Analysten gegeben haben, die Finanzprodukte zu kritisch beurteilten; ihnen soll sogar mit „Rauswurf“ gedroht worden sein.

Die Investmentbanken hätten sich ihnen genehme Analysten praktisch aussuchen („Rating-Shopping“) können; die „Kundenzufriedenheit“ stand bei den Agenturen „an vorderster Stelle“. Das soll sogar soweit gegangen sein, daß „Triple-A-Ratings“ auf Druck von Investmentbanken wider besseres Wissens aufrechterhalten blieben, und zwar deshalb, um genug Zeit zu haben, „sich unauffällig aus den kritischen Investments zurückzuziehen – sie also jemand anderem unterzujubeln“.

Gleichzeitig blieb genug Zeit, so die Wirtschaftswoche, sich über neu entwickelte Short-Konstruktionen so zu positionieren, um von einem Kollaps des Marktes zu profitieren. Für all das gibt es bisher zwar kaum Beweise, wohl aber Aussagen von ehemals allzu „kritischen“ Analysten wie zum Beispiel Richard Michalek, der acht Jahre für Moody’s arbeitete. Er sagte vor dem Untersuchungsausschuß des US-Senats unter anderem aus, verantwortliche Manager von Merrill Lynch, Goldman Sachs und anderen Banken hätten seine „Rotation“ verlangt.

Abgewiesene Klagen

Klagen gegen die „großen Drei“ hatten bisher kaum Erfolg, weil sie für ihre Bewertungen nicht haftbar gemacht werden können; diese seien „freie Meinungsäußerungen“ und damit nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten aus dem Jahre 2005 von dem Ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung gedeckt. Mit dieser Begründung wurde ein Großteil der Klagen abgewiesen.

Bisher hat es meines Wissens nur eine Ausnahme gegeben: Eine New Yorker Richterin gab einer Klage gegen ein fragwürdiges Finanzkonstrukt der deutschen IKB-Bank statt,  das mit „Triple A“ bewertet worden war. Ob diese Klage indes eine Trendwende markiert, muß abgewartet werden.

Gefährliche Schieflage

An dieser Stelle noch ein Nachtrag zu meinem letzten Blog, das von den Ereignissen „überholt“ wurde: Konnte man mit Blick auf die Griechenland-Hilfe noch der Meinung sein, daß diese aufgrund der stark miteinander vernetzten Euro-Staaten mit einigen Einschränkungen gerechtfertigt ist, kommt der „Rettungsschirm“ in Höhe von 750 Milliarden Euro, der am vorletzten Wochenende beschlossen wurde, dem Einstieg in eine Transferunion gleich.

Hierzu gehört auch, die Staatsschulden von Mitgliedern der Euro-Zone in Form von Anleihen aufzukaufen. Daß dieses Vorgehen dann auch noch als alternativlos (Schäuble-Berater Clemens Fuest) dargestellt wurde, ist ein starkes Indiz dafür, daß das Projekt Euro in eine gefährliche Schieflage geraten ist. Wir haben uns aber wohl darauf einzustellen, daß von dem Euro erst dann abgelassen wird, wenn man bei dem nun zu befürchtenden „race to the bottom“ ganz unten angekommen ist.

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