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Der kommende Iranfeldzug und die Geschichtsdeutung

Der kommende Iranfeldzug und die Geschichtsdeutung

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Der kommende Iranfeldzug und die Geschichtsdeutung

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Wenn es den langerwarteten Krieg gegen den Iran eines Tages geben wird, dann wird er im Vorfeld publizistisch mit größerer Intensität als bisher zur Sprache gebracht werden. In diesem Zusammenhang verdient ein vor einigen Tagen erschienener, extrem langer Artikel in der Tageszeitung Die Welt eine gewisse Beachtung. Autor Mathias Döpfner ist kein geringerer als der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG und breitet darin seine Ansichten zum Thema „Der Westen und das höhnische Lachen der Islamisten“ aus.

Döpfner schöpft aus dem ganzen bekannten Spektrum: Antisemitische Vernichtungsdrohungen aus Teheran, die fehlenden Frauenrechte in islamischen Ländern, die Ungeheuerlichkeit, wenn ein deutscher Außenminister „Äquidistanz“ zwischen Israelis und Palästinensern halten will, der 11. September 2001, der Reichstagsbrand (sic) von 1933, die Identität von Nationalsozialismus, Islamismus und „Bolschewismus“ (sic), Hitlers „Mein Kampf“ oder Neville Chamberlain in „München“, Ahmadinedschad und Bin Laden in Reihe mit Mao Tse Tung und Stalin. Alles wird zu einem einzigen Bedrohungsszenario zusammengemischt, gegen das der freiheitliche Westen als positives Bild aufgestellt wird.

Erstaunlich ist, wenn die Parallelen zwischen Kommunismus, Nationalsozialismus und Islamismus, auf die Ernst Nolte erst letztes Jahr in seinem ungnädig aufgenommenen und weitgehend totgeschwiegenen Buch über den Islamismus als die „Dritte radikale Widerstandsbewegung“ hingewiesen hat, hier ohne Erwähnung Noltes jetzt als der letzte Schrei aus US-Amerikanischen Politberater-Thinktanks präsentiert werden. Mehr als einmal vergaloppiert sich Autor Döpfner zudem. Es bestehe, so schreibt er, „die Gefahr, daß eines Tages Atomwaffen eingesetzt werden.

Der nächste Krieg könnte ein Angriffskrieg werden

Das Problem ist, daß der Westen gerne seine Feinde nach eigenen Maßstäben ausrechnet. Nach dem Motto: Wir würden doch auch nie eine Waffe einsetzen, die dramatische Opfer unter den eigenen Landsleuten fordert.“ Dies ist wahr, wird sich nicht nur der Zyniker sagen. Der Westen wirft nur Atomwaffen, wenn sichergestellt ist, daß der Gegner nicht zurückwerfen kann und die eigenen Landsleute daher ungefährdet sind.

Schließlich wird Döpfner sehr deutlich: „Die Wahrscheinlichkeit, daß es im Zusammenhang mit der Atompolitik des Iran in absehbarer Zukunft zu einer militärischen Auseinandersetzung in der Region kommt, ist extrem hoch. Entweder werden die Amerikaner aktiv, oder Israel wird es aus Selbstschutz tun.“

Damit dürfte der Kern der Sache ausgesprochen sein. Vielleicht steht wirklich bald der nächste Krieg ins Haus und die Bundesdeutschen sollen im Namen der Freiheit mit dabei sein. Es könnte durchaus ein Angriffskrieg werden, an dessen Ende man in Teheran ebensowenig Atomwaffen findet, wie in Bagdad Massenvernichtungswaffen gehortet waren. Gibt es wirklich keinen anderen Weg, jene Freiheit zu sichern, über deren Wert schließlich Konsens besteht? Immerhin ist vieles an Döpfners Ausführungen über den Verfall europäischen Selbst- und Freiheitsbewußtseins hierzulande sehr bedenkenswert.

Dem historischen Vergleich fehlt in vieler Hinsicht die Tragkraft

Dem von Mathias Döpfner so bemühten historischen Vergleich fehlt dagegen bei genauerem Hinsehen in vieler Hinsicht die Tragkraft, beispielsweise in der wie üblich besonders strapazierten Frage, wer damals eigentlich „angefangen“ hat und ob „Appeasement“ möglich sei. Führend beteiligte Zeitgenossen sahen das ganz anders als er.

Ein paar Wochen, nachdem Neville Chamberlain Deutschland am 3. September 1939 widerwillig unter innen- und außenpolitischem Druck den Krieg erklärt hatte, schrieb er an seine Schwester, Hitler habe wohl bis zuletzt ernsthaft ein Abkommen gewollt und an Vorschlägen gearbeitet, die aus seiner Sicht geradezu unfaßbar großzügig erscheinen mußten.

Hitler seinerseits beschimpfte Chamberlain noch im Frühjahr 1945 als notorisch aggressiven Bourgeois, der ihn 1938 zum Zweck des Zeitgewinns in München erfolgreich eingewickelt habe, weshalb damals die letzte Chance verpaßt worden sei, den Weltkrieg zu vermeiden. Wenn also aus „Appeasement“, „München“ und aus manch anderen von Döpfners Anspielungen etwas gelernt werden kann, so doch wohl eher, daß mutwillige Geschichtsinterpretationen nur bedingt als Leitfaden für militärische Angriffsaktionen taugen, von denen in jedem Fall noch keiner wußte, wo sie letzten Endes hinführen.

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