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Der Herr Aldi Nord

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ist tot. Theodor Paul Albrecht starb, 88 Jahre alt, schon vor fünf Tagen in seiner Heimatstadt Essen und wurde gestern im engsten Familienkreis zu Grabe getragen. Ein ehrbarer Kaufmann und tiefgläubiger Katholik, der gemeinsam mit seinem Bruder Karl ein Handelsunternehmen aufgebaut hat, mit dem beide zu Milliardären wurden, ohne davon je großes Aufhebens zu machen.

So geschwätzig wie der ganzseitige Nachruf seiner Unternehmensgruppe in den großen Tageszeitungen war Theo Albrecht zu Lebzeiten nie. Die Albrecht-Brüder mieden die Öffentlichkeit, machten ein Geheimnis aus ihrem Privatleben und ihrer Unternehmensführung. Als die Wirtschaftswoche vor sieben Jahren aktuelle Bilder der Brüder veröffentlichte, war das in der Wirtschaftspresse eine kleine Sensation. Die meisten Nachrufe ziert ein Foto Theo Albrechts aus dem Jahr 1971 – dem Jahr seiner spektakulären Entführung.

Man weiß wenig über den Menschen Theo Albrecht. Die Brüder kamen aus kleinen Verhältnissen: Vater Bergmann, Mutter Ladenbesitzerin, die Keimzelle des Aldi-Imperiums. Die Tugenden Fleiß, Bescheidenheit, Korrektheit, Sparsamkeit sind wiederkehrende Attribute. Auch die Konkurrenten, manche sind durch seine Schule gegangen, sprechen von ihm mit Ehrfurcht.

„Deutschlands reichster Knauserer“

Darüber hinaus werden vor allem Anekdoten über „Deutschlands reichsten Knauserer“ kolportiert: Daß Theo Albrecht noch Jahre nach der Postleitzahlenumstellung seine alten Briefbögen aufbrauchte und die alte vierstellige PLZ mit der Schreibmaschine durch-x-te. Daß er noch in hohem Alter persönlich Filialen inspizierte und herumliegende leere Kartons und brennende Lampen in leeren Büros monierte.

Daß sich seine Entführer 1971 von ihm den Ausweis zeigen ließen, weil sie nicht glauben konnten, daß ein so schlicht gekleideter Mensch ein Milliardär sein konnte. Keine Skandale, keine Steueraffären, außer daß er mit dem Finanzamt vor Gericht darum stritt, das Millionen-Lösegeld als Sonderausgabe absetzen zu können – und gewann.

Ihren Platz in der deutschen Wirtschaftsgeschichte haben Theo und Karl Albrecht als Erfinder und bis heute konsequenteste Anwender der „Discount“-Idee: Handel mit preiswerten Produkten ohne Schnörkel und kostspieligen Marketing-Firlefanz. „Champagner für alle“ beschreibt die Zeit ihre Lebensleistung: Die aus der Erfahrung des Hungers und Nachholbedarfs der Aufbaujahre geborene Demokratisierung des Zugangs zuerst zu Grundlebensmitteln in vernünftiger Qualität und dann auch zu Luxusartikeln zu für jedermann erschwinglichen Preisen.

Auch Aldi-Kunden sind qualitäts- und kostenbewußt 

Freilich: Der Erfolg und der scharfe Wettbewerb der Ketten und Discounter bedeutete zugleich vielfach das Aus für den kleinen Einzelhändler an der Ecke. Das ist die unvermeidliche Kehrseite. Wäre die Einzelhandelswelt noch so wie vor 50 Jahren, wäre auch Butter immer noch ein Luxusgut. Beides gehört zusammen.

Das Klagen eines Werbeagenturchefs (der wie die ganze Branche an Aldi nichts verdient haben dürfte), der Discount habe „der Markenartikelindustrie die Margen gestohlen“, ist dagegen unehrlich. Wer bei Aldi kauft, vertraut bei vielen Artikeln nicht auf das Güte- oder Wohlfühlversprechen einer „Marke“, sondern darauf, daß die – anerkannt strenge und bei Lieferanten gefürchtete – Qualitätskontrolle des Händlers funktioniert.

Nicht der Hersteller mit seiner „Marke“, der Kaufmann selbst steht mit seinem Namen für die Qualität der Ware ein, mit der er handelt. Eigenmarken sind daher im besten Sinne kaufmännisch. Auch Aldi-Kunden sind qualitäts- und kostenbewußt und nicht etwa bloß vom „Geiz ist Geil“ verführte blöde Konsumentenmasse.

Ein guter Kaufmann kann hart verhandeln und trotzdem fair mit seinen Lieferanten umgehen – auch das hat der Mann, den viele nur „Herr Aldi Nord“ nannten, bewiesen. Ohne aufgeblähte Vorstände und Bonusritter aus dem internationalen Managertroß erwirtschaftet Aldi Renditen, von denen andere Handelsunternehmen nur träumen.

Kaum jemand neidet den Gebrüdern Aldi ihr Vermögen

Auch für die Kehrseite der Entscheidungsfreiheit des Familienunternehmers stand Theo Albrecht; seine angestammte Übervorsicht ließ Aldi Nord gegenüber dem flexibler geführten Süd-Zweig zuletzt ins Hintertreffen geraten. Gleichwohl zählen die Albrecht-Brüder zu den reichsten Männern Deutschlands und der Welt.

Kaum jemand neidet ihnen das. Wohl, weil sie zurückgezogen leben und mit ihrem Reichtum nicht protzen, sondern ihn für nachfolgende Generationen zusammenhalten. Die unauflösbaren Familienstiftungen, in denen die beiden Albrecht-Brüder ihre zweistelligen Milliarden-Vermögen festgelegt haben, sollen dieses nicht nur vor allzu neugierigen Blicken schützen, sondern auch verhindern, daß künftige Erben ihr Werk verschleudern und verprassen.

Ihr Werk: Das ist ein international operierendes Handelsunternehmen, das „die bürgerlichen Tugenden Sparsamkeit, Fleiß und Pünktlichkeit erfolgreich in siebzehn andere Länder exportiert, bis nach Australien“; so charakterisiert es der Buchautor und Aldi-Kenner Hannes Hintermeier im Feuilleton der FAZ. Deutschlands Wirtschaftskraft beruht auf Männern wie Theo Albrecht – und darauf, daß solche Unternehmerpersönlichkeiten auch künftig in diesem Land heranwachsen.

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