Rettet Westerwelle die deutsche Sprache? Angesichts des Jubels mancher Sprachfreunde könnte man diesen Eindruck gewinnen. So lobte Guido Westerwelles Parteifreund Walter Krämer, der Vorsitzende des Vereins Deutsche Sprache, den „souveränen Auftritt von Herrn Westerwelle“. Nun kommt bitte wieder auf den Teppich. Schauen wir uns an, wie es eigentlich gewesen ist und wofür Westerwelle steht.
Westerwelle witterte wohl eine Falle, als der BBC-Reporter James Coomarasamy auf einer Pressekonferenz am 28. September darauf bestand, eine Antwort auf englisch zu erhalten. Denn seit Westerwelle am 22. September, also vor der Wahl, dem Hamburger Abendblatt freimütig gestanden hatte, er müsse sein Englisch wieder aufpolieren („Ich muß da erst wieder reinkommen“), kursierte verstärkt ein Filmchen aus dem Jahr 2006 im Netz, das belegt, daß Westerwelles Englisch nicht gerade berauschend ist.
Schlechte Fremdsprachenkenntnisse sind keine Schande, auch nicht für jemanden, der das Außenamt anstrebt. Die wenigsten Deutschen sprechen gutes Englisch oder Französisch.
Westerwelle reagierte also leicht genervt und stutzte den Briten – wie er im nachhinein bedauerte – etwas zu „scharfkantig“ zurecht, daß dies hier Deutschland sei und er nur auf deutsch antworten werde. Das sagte er nicht aus voller Brust oder gar „souverän“, sondern eher leicht verunsichert und stotternd. Ein Freiherr zu Guttenberg, der ausgezeichnetes Englisch spricht, hätte sicher souveräner auf die Einhaltung der Regel bestanden, daß auf derartigen Pressekonferenzen eben Deutsch üblich ist.
„Neues teutonisches Selbstbewußtsein“
Nun war es aber offenbar gar nicht so, daß Coomarasamy Westerwelle eine Falle stellen wollte, denn ausweislich seiner englischen Wikipedia-Biographie kann dieser gar kein Deutsch, sondern nur Französisch und etwas Polnisch und Russisch. Hätte er auch sonst eine Frage gestellt, die bereits auf deutsch vorgetragen und beantwortet worden war?
Überheblich wirkt es jedenfalls schon, daß die BBC es nicht für nötig hält, einen Berichterstatter zu entsenden, der der Landessprache mächtig ist. So war der etwas gehässige Bericht des Independent, der von einem „erhellenden Vorgeschmack auf ein neues teutonisches Selbstbewußtsein in internationalen Angelegenheiten“ schrieb, die eine Seite.
Auf der anderen Seite schreibt der „Media Monkey“ des Guardian durchaus selbstkritisch über die Bequemlichkeit der Briten, im Ausland die Landessprache zu beachten: „The trouble with the Brits is that they just assume they can turn up anywhere and start speaking English without making any effort to try the local lingo.“
Vergegenwärtigen wir uns allerdings: Westerwelle ist der Vorsitzende derjenigen Partei, die am nachdrücklichsten für die Verbreitung der englischen Sprache in Deutschland eintritt. In einem Positionspapier zur Sprachpolitik spricht sich die FDP-Bundestagsfraktion „für das Erlernen von Englisch ab dem Kindergarten und einer weiteren Fremdsprache noch in der Grundschule“ aus, obwohl wissenschaftliche Untersuchungen längst die Zweifelhaftigkeit einer zu frühen Belastung mit Fremdsprachen erwiesen haben. Außerdem fordert die FDP „verhandlungssicheres Englisch als Einstellungsvoraussetzung …, auf jeden Fall … im ministerialen Dienst“. Westerwelle, der ein Ministeramt anstrebt, scheint hier dem eigenen hohen Anspruch nicht gerecht werden zu können.
Peinlich und unterwürfig
Eine derartige Haltung bedeutet auch, daß langfristig in wichtigen Angelegenheiten auf die deutsche Sprache verzichtet werden soll. Das erinnert an Ministerpräsident Oettinger, der der deutschen Sprache für die Zukunft nur noch die Rolle als Freizeitsprache zubilligt. Auf Pressekonferenzen wird dann eben Englisch gesprochen.
Westerwelle wird also sicher nicht der Sprachretter der Nation werden. Dennoch hat die Aktion etwas Gutes. Westerwelle hat – zunächst unfreiwilligerweise – den Blick auf die Bedeutung der deutschen Sprache gelenkt. Überall wird über seine Englischkenntnisse gesprochen. Das Spaßprofil von „Westerwave“ auf Twitter hat binnen kurzer Zeit über 3.600 Mitleser gewonnen. Harald Schmidt stellt sich als „Englischlehrer von Guido Westerwelle“ vor, während zur Oliver-Pocher-Show die Gewinnspielfrage „Sollte Guido Westerwelle einen Englischkurs besuchen?“ eingeblendet wird.
Geschickt versteht es Westerwelle nun, den „Running Gag“, wie er es nennt, weiterzutreiben. Er kokettiert mit seinen Englischkenntnissen, spricht von der „wunderschönen deutschen Sprache“ und witzelt darüber, daß die FDP-Präsidiumssitzung „ausschließlich in deutscher Sprache“ stattfand. Damit macht er die deutsche Sprache zum Thema.
Hingegen wirken die Versuche der grünen Spitzenpolitiker, ihre vermeintlich herausragenden Englischkenntnisse zur Schau zu stellen, eher bemüht als komisch; etwa wenn Cem Özdemir den Super-Ami gibt und sich in einer Filmbotschaft an die BBC anzubiedern versucht, indem er mit amerikanischem Kaugummi-Englisch die Vorzüge von „Mr. Fisher“ rühmt; oder wenn Renate Künast auf einer Pressekonferenz ausdrücklich um Fragen in englischer Sprache bittet. Eine solche Anbiederung an das Ausland und an die englische Sprache wirkt nur peinlich und unterwürfig.
Hoffen wir also, daß Westerwelles Verhalten der deutschen Sprache zum Vorteil gereicht, auch wenn er es nicht aus Überzeugung, sondern aus Selbstdarstellung an den Tag legt. Dann soll uns sein Antrieb gleichgültig sein. Allerdings: Westerwelles Bekenntnis zur deutschen Sprache bleibt hohl, wenn es keine programmatischen Folgen hat. Wie wäre es zum Beispiel mitzuhelfen, den CDU-Parteitagsbeschluß durchzusetzen und die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern? In dieser Frage könnte sich schnell die Spreu vom Weizen trennen.