Die kesse Prognose von Frank Walter Steinmeier halte ich für realistisch. Bis 2020 könnte die Arbeitslosigkeit verschwinden oder zumindest ganz erheblich gedrosselt werden.
Niemand muß ein Prophet sein, um das vorauszusehen. Es reicht ein Blick in die Geburtenstatistik der Zeit nach 1945. In den kommenden Jahren erreichen immer mehr Nachkriegsjahrgänge das Rentenalter. Sie scheiden aus dem Erwerbsleben aus. Nur wenige Junge rücken nach. So oder so wird die Arbeitslosigkeit sinken. Mit und ohne Merkel. Mit und ohne Steinmeier. Mit und ohne Horst Schlämmer.
Gerade in Pflegeberufen wird es eine Riesennachfrage nach Beschäftigten geben. Das hat – soweit ich das mitbekommen habe – Steinmeier in seine Pläne bereits einberechnet. Trotzdem habe ich mir nicht die Mühe gemacht, die Pläne des SPD-Kanzlerkandidaten en detail zu studieren. Warum auch?
Auf solche Wahlversprechen verzichten die Deutschen gerne
Politiker, egal welcher Couleur, halten sich noch nicht mal an ihre Wahlversprechen. Nach dem Wahltag ist alles vergessen. Und es ist nur ein dummer Zufall, daß die dickste Wahllüge in der letzten Zeit auch von Steinmeiers SPD kam: „Deutschland kann sich CDU/CSU nicht leisten“, stand damals auf den SPD-Plakaten. „2% Merkelsteuer? Nicht mit uns“, donnerten Franz Müntefering und Genossen vor vier Jahren, um gleich nach der Wahl drei Prozent Mehrwertsteuererhöhung abzunicken. Auf diese Art von Steuersenkungen und Wahlversprechen verzichten die deutschen Wähler gerne.
Was taugen also Aussagen von Frank Walter Steinmeier über die „Arbeit von morgen“, also im Jahr 2020? Wenig bis nichts von dem, was auf den 67 Seiten Papier steht, wird so eintreten. Wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, dann wegen der Geburtenraten.
Das Strategiepapier hat ungefähr den Wert, den der Bericht der Hartz-Kommission hatte. Dieser Bericht, den Gerhard Schröder mitten im Wahlkampf 2002 vorgestellt hat, sollte helfen, die Arbeitslosigkeit in Kürze zu halbieren. Doch die Arbeit der Hartz-Kommission entpuppte sich als Rohrkrepierer. Geblieben sind ungute Erinnerungen an „Ich AGs“, die im „Ich-Konkurs“ endeten, und die „Hartz IV-Reform“, die Schröder schließlich das Amt kostete.
Heimliche Voreingenommenheit zugunsten der SPD
Im aktuellen Spiegel wird in einem Kommentar bedauert, daß zu wenig über das Steinmeier-Programm und zu viel über Ulla Schmidts Dienstwagen diskutiert wird. Wir sollten zurückkehren zu den Sachthemen, so der Tenor des Kommentars. Was für ein durchschaubares Ablenkungsmanöver!
Diese Haltung verrät eine heimliche Voreingenommenheit zugunsten der SPD. Es ist nicht lange her, da wollte das Hamburger Magazin von Sachthemen nichts wissen, weil es doch gegen Berlusconi ging, den italienischen Ministerpräsidenten, der sich mit einer viel zu jungen Freundin herumtreibt. Was bei Franz Müntefering als fesch gilt, ist Berlusconi nicht erlaubt, weil er ein Rechter ist. Plötzlich waren intimste Privatsachen ganz wichtig und mußten der Welt kundgetan werden.
Und in der gleichen Ausgabe, in der für eine Versachlichung des deutschen Wahlkampfes geworben wurde, erschien ein Porträt über den Politiker und Skifahrer Dieter Althaus (CDU). Den Mann, der „Schuld am Tod einer Frau“ hat und als Politiker quasi von den Toten wiederauferstanden ist. Den Mann, dem das Magazin unterstellt, er ziehe auf seine Weise Nutzen aus dem Unfall. Es ist ein böses Porträt, das so gar nicht mit Sachthemen zu tun hat. Es steht genau hinter dem Kommentar für mehr Sachlichkeit, der dazu einladen soll Frank-Walter Steinmeiers Konzept für die „Arbeit von morgen“ zu lesen. Das macht ihn nicht glaubwürdiger.