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Fürsorgediktatur

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Von vernachlässigten, mißhandelten, verhungerten Kindern in zerrütteten familiären Verhältnissen liest man wieder weniger – die Karawane der medialen Säuetreiber ist längst weitergezogen. Die politischen Konsequenzen der kurzzeitigen Daueraufgeregtheit aber bleiben. Eine davon hat die Süddeutsche Zeitung dieser Tage aufgegriffen: „Immer häufiger wird Eltern das Sorgerecht entzogen.“ 

Von 2007 auf 2008 stiegen die Kinderwegnahmen durch die Jugendämter sprunghaft an: um zehn Prozent in den meisten Bundesländern, in Baden-Württemberg um fast zwanzig Prozent, in Hessen um ein volles Drittel. Jedes dritte dieser Kinder wurde auf Dauer von Eltern und Familie getrennt: mehr als zehntausend in nur einem Jahr, doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren.

Zehntausend zerrissene Familien. Längst nicht in allen diesen Fällen wurden die Kinder tatsächlich schlecht behandelt. FAZ-Redakteurin Katrin Hummel hat schon im vergangenen Jahr als einsame Ruferin den „amtlichen Größenwahn“ vieler Jugendämter angeprangert, die aus Inkompetenz, Übervorsicht oder schierer Allmachtsanmaßung oft genug nach der Devise vorgingen: „Wegnehmen ist das einfachste.“

Erschütternde Geschichten

Katrin Hummel erzählt in ihren beiden großen Reportagen vom März und Dezember vergangenen Jahres erschütternde Geschichten von Jugendamtsmitarbeitern, die bedenkenlos Schicksal spielen, ohne daß man sie selbst bei vorsätzlicher Willkür zur Verantwortung ziehen könnte; die „sicherheitshalber“ Familien auseinanderreißen, damit es bei der nächsten Sensationsschlagzeile nur ja nicht heißt, die Ämter hätten „nichts getan“ und „versagt“; die Eltern ihre Kinder wegnehmen, weil die Wohnverhältnisse oder die Erziehungsauffassungen der Eltern nicht den hohen theoretischen Standards der behördlichen Sozialpädagogen entsprechen.

Möglich machte die Ausweitung der Eingriffe die Novelle des Kinder- und Jugendhilfegesetzes von 2005, die den Jugendämtern einen expliziten „Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“ zuwies. Seit Frühjahr 2008 muß das Jugendamt zudem nicht mehr den Nachweis elterlichen Versagens führen, um die Kinder aus der Familie herauszunehmen. Den Gerichten sollte so der Sorgerechtsentzug erleichtert werden. Faktisch ein Ermächtigungsgesetz zugunsten der Jugendämter gegenüber den Eltern, die angesichts der Beweislastumkehr regelmäßig den kürzeren ziehen.

Familienministerin von der Leyen plant gleichwohl weitere Verschärfungen des Kinderschutzes durch erweiterte Melde- und Kontrollvorschriften. „Rechtfertigen wenige tragische Einzelfälle, daß zehntausend Familien auf Dauer auseinandergerissen werden?“, fragt Stefan Dietrich am Mittwoch in der FAZ: „Und wer schützt Eltern und Kinder eigentlich vor amtlicher (Über-)Vorsicht?“

Der Kern des Problems

Das trifft den Kern des Problems. Es ist zum festen Ritual geworden, bei jedem zutage tretenden Mißstand rasches und umfassendes staatliches Handeln einzufordern. Das Versagen einzelner wird zum Anlaß, individuelle Verantwortung einzukassieren und sie auf anonyme Behörden zu übertragen.

Doch selbst ein omnipotenter Gluckenstaat kann nicht alle menschlichen Konflikte ausschalten und nicht allen Schicksalen und Wechselfällen menschlichen Lebens vorbeugen; er ist nicht Gott. Menschen machen Fehler; kollektivierte und entmündigte Betreuungsobjekte sind dafür noch anfälliger als in sicheren Bindungen gereifte freie, verantwortungsbewußte Bürger. Also noch mehr Kompetenzen und Zuständigkeiten für den Übervater Staat? So dreht sich die Spirale immer weiter.

Seit dem Wohlfahrtsausschuß der Jakobiner hat noch jeder Totalitarismus damit begonnen, daß ein Häuflein Entschlossener sich daranmachte, den Rest der Menschheit zu einem Glück zu zwingen, das man selbst besser als die Masse erkannt zu haben glaubte. Die Vergötterung des allzuständigen Sozialstaates führt geradewegs in die Fürsorgediktatur.

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