Mein Gott, Pauli! Englisch als einzige Amtssprache in der Europäischen Union? Keine Partei in Deutschland fordert das ernsthaft, dachte ich bis vor kurzem noch. Das war vor der Vorstellung des Europawahlprogramms der Freien Wähler (FW) durch deren Spitzenkandidatin Gabriele Pauli.
Wieder einmal stellt sich die ehemalige CSU-Landrätin gegen wertebewahrende Sichtweisen und damit gewiß auch gegen die allermeisten Anhänger der Freien Wähler. Deren Unorganisiertheit läßt Paradiesvögel wie Pauli unwidersprochen Zweifelhaftes zwitschern. (Nein, nicht twittern, die Dame hat kein Profil.)
Mittlerweile haben CSU, CDU, FDP oder SPD allesamt die Forderung nach einer Stärkung der deutschen Sprache in ihre europapolitischen Programme geschrieben. Nach und nach ist dieses Thema ins Bewußtsein der etablierten Parteien gedrungen. Nun geht es nur noch um den Wettbewerb um die besten Vorschläge und Aktionen, dachte ich – bis Pauli kam.
Fast ein Drittel aller EU-Bürger nutze Deutsch
So erfreute noch am 15. April ein gemeinsamer Brief der Europaminister Baden-Württembergs und Hessens an EU-Sprachenkommissar Leonard Orban. Darin hieß es: „Es muß wieder zur Selbstverständlichkeit werden, daß die EU-Kommission alle wichtigen EU-Dokumente vollständig und von Anfang an auch in deutscher Sprache vorlegt.“ Deutsch sei schließlich die am weitesten verbreitete Muttersprache in der EU. Fast ein Drittel aller EU-Bürger nutze Deutsch als Mutter- oder Zweitsprache. Angesichts dieser Tatsachen sei es völlig unannehmbar, wenn Deutsch innerhalb der EU-Institutionen regelmäßig diskriminiert werde.
Doch dann kam etwa eine Woche später Gabriele Pauli und trat für Englisch als einzige EU-Amtssprache ein. Besonders komisch wirkt ihre Forderung im Zusammenhang mit der Äußerung des FW-Bundesvorsitzenden Armin Grein vom selben Tage: „Wir wollen Europa für die Menschen verständlicher machen, die Bürger mehr einbeziehen, ihnen mehr Mitspracherechte ermöglichen.“ Etwa mit Englisch?!? Die Einheitssprache Englisch würde genau diese Ziele durchkreuzen.
Das ist natürlich eine Steilvorlage für die CSU, die Stimmen von den Freien Wählern zurückgewinnen muß. So spottete der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Hartmut Koschyk: „Mit ihrer Forderung, Englisch als einzige Amtssprache der EU zu verankern, macht sich Frau Pauli endgültig zur europapolitischen Lachnummer.“
Ob den Worten auch Taten folgen?
Nun könnten wir fragen: Was schert es uns, wenn die Pauli solchen Unfug fordert? In doppelter Hinsicht muß es uns jedoch bekümmern. Die Freien Wähler müßten erstens als anscheinend wertkonservative Interessenvertretung dazu verpflichtet sein, sich gegen die Verdrängung unserer Sprache stark zu machen. Zweitens reicht es für die eingesessenen Parteien nun aus, gegen die Forderung von Pauli zu sein.
Ob den Worten auch Taten folgen, steht auf einem anderen Blatt. Nicht mehr der Wettbewerb, wie die deutsche Sprache am besten zu fördern sei, steht im Vordergrund. Es genügt der Hinweis auf das größere Übel, zu dessen Fürsprecherin sich Pauli gemacht hat.
Hätte Pauli doch wennschon, dennschon Esperanto als Einheitssprache vorgeschlagen. Doch für diese Forderung gibt es bereits eine Partei, das heißt einen Verein, der zur Europawahl antritt: die EDE (Europa – Demokratie – Esperanto), angeführt von Nobelpreisträger Reinhard Selten. Im EDE-Wahlprogramm heißt es: „Esperanto soll die anderen Sprachen nicht verdrängen, sondern im Gegenteil zu ihrer Stärkung und Bewahrung beitragen. … Solange die Muttersprachen in der EU nicht gleichberechtigt sind, wird sich EDE auch für eine Aufwertung der deutschen Sprache in der EU stark machen. Deutsch muß in der EU Arbeits- und Veröffentlichungssprache sein.“ Wie angenehm liest sich das Programm der Außenseiter im Vergleich zu Paulis Äußerungen!