Österreich erlebt derzeit eine beispiellose Explosion vor allem der Einbruchskriminalität, die in erster Linie – das kann selbst Innenministerin Fekter (ÖVP) nicht mehr in Abrede stellen – durch die Ausweitung der Schengen-Zone im Dezember 2007 und den Abbau der Grenzkontrollen verursacht wird. Letzte Woche wurde in den österreichischen Medien gemeldet, daß es seit Jahresbeginn rund 24.000 Einbrüche (!) im Alpenstaat gegeben habe.
Die Leistung der rot-schwarzen Regierungskoalition besteht bisher vor allem darin, diese manifeste Bedrohung der inneren Sicherheit durch „Banden aus dem Osten“, wie in Österreich die Sprachregelung heißt, zu zerreden. Einzig eine Aufstockung der Polizeipräsenz in den Grenzgebieten wird ins Auge gefaßt, nachdem der Personalbestand der Polizei jahrelang systematisch reduziert worden ist. Ein kürzlich gestellter Antrag der FPÖ, das Schengener Abkommen auszusetzen und die Grenzkontrollen wiederaufzunehmen, wurde (wie nicht anders zu erwarten) abgelehnt.
Staatssouveränität immer weiter ausgehöhlt
Das Beispiel Österreich bietet Anlaß zu einigen grundsätzlichen Überlegungen. So zum Beispiel über die Frage, ob und inwieweit im Zeitalter der Globalisierung Staaten überhaupt noch in der Lage sind, die Sicherheit ihrer Bürger zu schützen. Denn im gleichen Maße, wie die Staatsgrenzen seit den Zeiten der sogenannten Wende 1989/90 infolge eines immer intensiver werdenden Handels immer poröser geworden sind und die Staatssouveränität immer weiter ausgehöhlt wurde, konnten sich neben den offiziellen Handelsströmen illegale, kriminelle „Parallelmärkte“ etablieren, die zu absoluten Wachstumsbranchen geworden sind. Hierzu gehören der Drogen-, Waffen- und Menschenhandel („illegale Zuwanderung“) genauso wie Geldwäsche oder Eigentumsdelikte „auf Bestellung“ (organisierter Diebstahl, Einbruch etc.).
Es gibt, wie zum Beispiel Moises Naim, ehemaliger geschäftsführender Direktor der Weltbank und Handels- und Industrieminister Venezuelas, in seinem Buch „Das Schwarzbuch des globalisierten Verbrechens“ (dt. München–Zürich 2006) aufgezeigt hat, eine global handelnde „illegale Ökonomie“, die Jahr für Jahr Hunderte von Milliarden Euro erwirtschaftet. Im Gegensatz zu früher ist die heutige organisierte Kriminalität (OK) nicht mehr zentral gesteuert, sondern dezentral – nicht selten mittels Bestechung gedeckt durch Beamte, Politiker und Manager.
Den Netzwerken organisierter Kriminalität kommt der Abbau staatlicher Souveränität im Zuge der Globalisierung, der darüber hinaus aber auch begünstigt (EU) wird oder durch innere Probleme bedingt ist, entgegen. Sie bewegen sich mittlerweile wie Fische im Wasser. Eine Entwicklung, die nach Naim weiter zunehmen wird, weil die von ihm sogenannten „geopolitschen Schwarzen Löcher“ nicht schrumpfen, sondern ebenfalls zunehmen werden. „Geopolitische Schwarze Löcher“ sind weniger entwickelte Staaten, die über eine geringe staatliche Souveränität verfügen. Durch kriminelle Netzwerke, die auf deren Territorium agieren, wird diese weiter geschwächt bzw. zersetzt (z. B. durch Korruption). Dies deshalb, weil diese Netzwerke gezielt Vermögen in politischen Einfluß investieren.
Verzicht auf Grenzkontrollen problematisch
Das hat aufgrund des Netzwerkcharakters der organisierten Kriminalität auch unmittelbare Auswirkungen auf intakte Staaten, die Naim als „helle Flecken“ bezeichnet (z. B. viele Staaten der EU-Zone), die mit einer zunehmenden Zahl von Ablegern dieser Gruppen zu kämpfen haben. Naim macht eine einfache Rechnung auf: Je größer die Abwehrmaßnahmen sind, die die „hellen Flecken“ ergreifen, desto kostenintensiver wird es für die OK-Netzwerke, sich auf deren Staatsgebiet zu etablieren. Das treibt die Preise für illegale Güter in diesen Staaten in die Höhe. Im gleichen Maße gilt: Je „schwärzer“ die Schwarzen Löcher, desto größer der Anreiz ihrer Bewohner, für die OK zu arbeiten.
Man kann sich vor diesem Hintergrund ausmalen, was der Abbau von Grenzkontrollen bedeutet. Selbst bei funktionierenden Grenzkontrollen kann nur ein Minimum der Güter- und Menschenströme stichprobenartig kontrolliert werden, die zwischen den Grenzen zirkulieren. Der Verzicht auf Grenzkontrollen muß vor diesem Hintergrund als problematische Maßnahme bezeichnet werden.
Der Ersatz für diese Kontrollen wie FRONTEX (Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen) mit derzeit 203 Mitarbeitern, „verdachtsunabhängige Kontrollen“ in den Grenzregionen, grenzüberschreitende „Nacheile“ und anderes mehr, haben sich als offensichtlich unzureichend im Kampf gegen die OK erwiesen. Das bekommen (unter anderem) die Österreicher gerade intensiv zu spüren.