Kürzlich sind drei deutsche Soldaten, 21 bis 23 Jahre alt, in Afghanistan gefallen. Wofür eigentlich? Nichts demonstriert die Überforderung deutscher Politiker so anschaulich wie ihr Bemühen, das Wort „Krieg“ zu vermeiden. Sie sind nicht die einzigen, die vor der Realität davonlaufen, sie sind Fleisch vom Fleische der postheroischen Gesellschaft und bedienen deren Erwartungen, Ängste, Komplexe. Den Postheroiker hysterisiert bereits der Gedanke, es könnte so etwas wie die theoretische Möglichkeit eines Krieges existieren, weil das die Grundlagen seiner Lebensphilosophie umwirft. Also handelt auch die Politik nach dem Motto: Umbenannt – Krieg gebannt! Er wird zum „humanitären Einsatz“, was nach einer Mischung aus „Zorro“ und „Klosterfrau Melissengeist“ klingt. Wie beruhigend! Gestorben wird trotzdem ganz real.
Aber schließlich sind es doch die politischen Eliten, die die Entscheidung über die Einsätze treffen. Sie wirken sprachlich, moralisch, intellektuell völlig überfordert. Der teddyhafte Verteidigungsminister ist das personifizierte Dementi militärpolitischer Kompetenz. Unter Humanitarismus-Gedöns schickt er junge Leute in eine Situation, die ihnen den Tod bringen kann, und begehrt gleichzeitig, nicht Schuld an ihrem Tod zu sein. Bis heute gibt es keine klare, scharfe Parlamentsdebatte über den Sinn und Unsinn dieses Krieges, über Ziele, Dauer, Risiken. Wer sollte sie auch führen? Der 85jährige Peter Scholl-Latour verfügt über mehr militärischen Sachverstand im kleinen Finger als sämtliche Bundestagsabgeordnete im Hirn.
Mißbrauch am Hindukusch
Es ist nicht nur ein subjektives Versagen, sondern ein strukturelles Problem. In seinem Wälzer „Die deutsche Modernitätskrise. Politische Kultur und Mentalität von der Reichsgründung bis zur Wiedervereinigung“ (2005) singt Christian Schwaabe, einer der flotten Nachwuchspolitologen, die leider nichts begreifen, ein Loblied auf die Bundesrepublik, die den Horror eines Carl Schmitt gegenüber einer entpolitisierten Welt nicht nur nicht teilt, die ihn überhaupt nicht mehr versteht. Den Deutschen sei, „wie den Bürgern wohl kaum eines zweitens Landes, jeder Heroismus innerlich fremd“. Unter Berufung auf seinen Kollegen Paul Nolte hebt er den Pragmatismus und Realismus dieser verwestlichten, „mit der Gegenwart versöhnten Gesellschaft“ hervor. Zu diesem Reifeprozeß wesentlich beigetragen hätte die „’psychologische‘ Unterstützung“ der USA, die den (West-)Deutschen „die Möglichkeit ideeller Anlehnung“ gewährten. Schwaabe meint das ganz ernst. Doch wie kann eine entpolitisierte und entheroisierte Gesellschaft versöhnt sein mit einer Gegenwart, die harte politische und militärischen Anforderungen an sie stellt, welche sich – das kommt hinzu – ohne Heroismus überhaupt nicht bewältigen lassen? Eine solche Gesellschaft bzw. ein solcher Staat ist bestenfalls zum politische Objekt bzw. zum Vasallen einer – hoffentlich freundlich gesinnten – imperialen Macht bestimmt, in diesem Fall der USA. Hier liegt schließlich die tiefere Ursache für das Gestammel der deutschen Politiker. Sie sind selber entpolitisiert und finden deshalb keine Worte für eine Situation von höchster politischer Intensität!
Die Lücke zwischen den Anforderungen dieses Krieges und dem fehlenden Heroismus der BRD-Spezies wird vorläufig vom Menschenmaterial geschlossen, das die Wiedervereinigung der Bundesrepublik beschert hat. Alle drei Gefallenen wohnten in der Ex-DDR, wo die Bundeswehr einen der wenigen Fluchtpunkte aus der Arbeitslosigkeit bildet. Gerade wurde eine neue Studie über das politische Bewußtsein dort veröffentlicht, die nahelegt, „daß sich eine Mehrheit der Ostdeutschen nicht mit dem heutigen gesellschaftspolitischen System identifiziert“. Angesichts ihres Mißbrauchs am Hindukusch durch die verwestlichten Postheroiker drängt sich die Frage auf: Warum sollten sie auch?