Es sind Klassiker des Kinos: Slapstick-Filme von Dick und Doof oder Charlie Chaplin; die Krönung sind Tortenschlachten. Irgendeiner wirft das erste Sahneteil, anschließend eskaliert ein Kampf mit heiligem Ernst – und die Zuschauer biegen sich vor Lachen. Es ist der Kontrast zwischen bürgerlicher Konvention und ihrem Bruch. Statt der Faust erreicht das Gesicht des Gegners aber nur ein von weicher Sahneschicht gedämpftes Backwerk.
Am vergangenen Wochenende wurde die AfD-Politikerin Beatrix von Storch Ziel einer linken Attacke, die bislang vorwiegend in Frankreich als verbreitete Form der tätlichen politischen Auseinandersetzung gilt. In Kassel drangen zwei Männer einer linksradikalen, mit staatlichen Mitteln geförderten Initiative in den Sitzungsraum einer nichtöffentlichen AfD-Tagung und bewarfen sowohl von Storch als auch einen Parteikollegen mit Sahnetorten.
Feixende Journalisten
Ich hab es mir wirklich gewissenhaft ein paar mal angeschaut, aber #afd mit Sahne wird auch nicht besser pic.twitter.com/FE1K4MBYuN
— Tim Renner (@rennersen) 28. Februar 2016
Stolz filmten sich die Täter und brüsteten sich mit dieser Aktion im Internet. Es wurde niemand verletzt, ein dümmlicher Scherz – wären da nicht die Reaktionen der Medien und von Politikern. So twitterte der Kulturstaatssekretär des Landes Berlin, Tim Renner, ein Bild der von oben bis unten mit Sahne bekleckerten von Storch mit dem Satz: „Ich hab es mir wirklich gewissenhaft ein paarmal angeschaut, aber afd mit Sahne wird auch nicht besser.“
Viele Zeitungen adelten die Chaoten zu „Kunstaktivisten“, Journalisten beömmeln sich über die „Zwangsbekuchung“ (Stern), melden immer neue Schenkelklopfer unter dem Motto „tortalerkrieg“, die ARD-Tagesschau zeigt einen Filmbeitrag, in dem der Tortenwurf schadenfroh kommentiert wird, der Sprecher sich dann bierernst mokiert, die Angegriffene habe es gewagt, ein Foto und den Namen des Täters zu veröffentlichen (Tagesschau pixelt das Gesicht brav), was „rechtlich doch mindestens umstritten“ sei. Der Angriff selbst wohl nicht.
Primitives Lächerlichmachen des politischen Gegners
Wer die „Lacher auf seine Seite“ bringe, so meinte mein Deutschlehrer zum Thema Rhetorik, der habe meist gewonnen. Das primitive Lächerlichmachen des politischen Gegners meinte er damit nicht, ein verbreiteter Sport, besser eine regelrechte Pest unserer Tage, zumal in sogenannten „sozialen Netzwerken“.
Der Tortenwurf als legitimer subversiver Humor des Schwachen gegen den Starken? Hier wirkte „keine mutige Minderheit“, sondern eine „frotzelnde Mehrheit“, wie ein heller Kommentator der Süddeutschen Zeitung feststellte.
Heiko Maas erklärte kürzlich vor Potsdamer Schülern, als Bundesjustizminister dürfe er ja eine dort stattgefundene Sitzblockade gegen eine Pegida-Demonstration nicht begrüßen, „aber cool war das schon“. Welch niederschmetterndes Beispiel gibt hier der zur Neutralität verpflichtete Minister!
Die Verachtung gegenüber der Demokratie schürt, wer den freien Wettbewerb der Meinungen verhindert und die abweichende Position mit Diskursausschluß bedroht.
JF 10/16