Nach dem Zusammenbruch des Sowjetkommunismus und dem Siegeszug des Kapitalismus hatten manche das Ende der Geschichte eingeläutet. Nun aber steht das Weltfinanzsystem an einem Wendepunkt. Virtuell und sekundenschnell jagt ungedecktes Papiergeld um die Erde, galoppierend häufen sich Vermögen und Schulden in astronomische Höhen und geraten jetzt ins Wanken.
Eine ernüchternde Ratlosigkeit macht sich breit angesichts des Desasters, in das die führenden westlichen Nationen ihre Volkswirtschaften und die Weltwirtschaft gesteuert haben. Bürgerliche Parteien und Eliten sind mit ihrem Latein am Ende. Frank Schirrmacher hat in der FAZ den Offenbarungseid für dieses politische Lager verkündet, indem er anknüpfend an einen Essay des britischen Konservativen Charles Moore feststellt, daß die Linke mit ihrer Kritik am kapitalistischen System doch recht habe.
Doch die Sache ist komplizierter: Haben wir es denn wirklich mit einer Krise der kapitalistischen Marktwirtschaft zu tun? Oder haben nicht wesentlich progressive, universalistische Ideen das System an den Abgrund geführt? Die vor allem sozialstaatlich diktierte Ausweitung von Staatsausgaben in fast allen westlichen Ländern bedeutete Ende der sechziger Jahre den Einstieg in eine exzessive Verschuldung. Der Kredithunger der Staaten – vorneweg der USA – konnte nur durch eine ständige Ausweitung der Geldmenge gestillt werden. Hier trafen sich nun die Interessen von Großbanken und Regierungen, die Staatsaufgaben immer weiter ausdehnen wollten.
Globalisierung ist eine linke Ideologie
Schließlich die Ideologie der Globalisierung, die es – wie Schirrmacher zu Recht kritisiert – ermöglicht, daß in der Finanzkrise „Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen“. Nur: Ist die Globalisierung, also die Überwindung von Nationalstaaten, nicht eine genuin linke Idee? Und arbeiteten hier nicht – wie bei der Euro-Einführung – international operierende Banken, Großkonzerne und sozialistische Gewerkschaften Hand in Hand? Und ist der Kern der von Schirrmacher beklagten demographischen Krise nicht die Zerstörung der Familie?
Die aktuelle Situation – der Zusammenbruch des Weltfinanzsystems, das Scheitern supranationaler Strukturen und „multikultureller Gesellschaften“ – bestätigt tatsächlich diejenigen, die immer vor Staatswirtschaft auf der einen und zügellos entfesseltem Kapitalismus auf der anderen Seite gewarnt haben. Bestätigt finden sich alle, die vor dem Einreißen des historisch gewachsenen Solidaritätsraums Nation gewarnt haben, in dem Unternehmer, Banken und Regierende einem konkreten Volk verpflichtet sind und nicht allein der Gewinnmaximierung. Die „bürgerlichen Eliten“ haben versagt, weil sie auf diese Stimmen nicht hören wollten. (JF 34/11)