Für jede Bundesregierung hat das Grundgesetz einen Haken, wenn es um allzu flotte Entscheidungen geht: Dort steht nämlich, daß „alle Gewalt“ vom Volke ausgeht. Souverän ist und bleibt – übrigens konkret – das Deutsche Volk. Im System der repräsentativen Demokratie äußert sich der Volkswille im Wählen von Abgeordneten, die nicht umsonst auch „Volksvertreter“ heißen.
Auf nationaler Ebene entscheiden sie im Bundestag darüber, welche Gesetze beschlossen oder geändert werden. Eines der wichtigsten Kompetenzen – man spricht vom „Königsrecht des Parlamentes“ – ist das Haushaltsrecht, die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben des Staates. Traditionell finden deshalb auch im Zusammenhang mit der Haushaltsdebatte die härtesten Redeschlachten über den Kurs der Nation statt.
Die Währungsunion steht vor dem Kollaps
Deutschland hat sich auf eine abenteuerliche europäische Währungsunion eingelassen, vor deren realwirtschaftlichen Konsequenzen Experten – und auch diese Zeitung – immer gewarnt haben. Die prognostizierten Folgen sind jetzt eingetreten, die Währungsunion steht vor dem Kollaps, Deutschland soll im Zuge einer krisenhaften Eskalation in eine dauerhafte Transferunion gezwungen werden, die auf den Verlust der Finanzhoheit hinausläuft.
Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch entschieden und die Klagen gegen den ersten Euro-Rettungsschirm abgewiesen. Es haben sich viele eine mutigere Entscheidung erhofft, die die Bundesregierung schon jetzt höchstrichterlich stoppt. Dennoch haben die Karlsruher Richter einige Dinge festgeschrieben, die für Politiker, die von einer Europäischen Finanz-Exekutive träumen, einen Dämpfer bedeuten.
Wie schon im Maastricht-Urteil wird mehrfach betont, daß es verfassungswidrig ist, an der nationalen Autonomie im Haushaltsrecht zur rühren, „Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand als grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat“ müßten „in der Hand des Deutschen Bundestages“ bleiben.
Wähler und verantwortungsbewußte Abgeordnete in der Pflicht
Es sollte vielen Volksvertretern die Schamesröte ins Gesicht treiben, daß sie vom Bundesverfassungsgericht so deutlich daran erinnert werden müssen, sich nicht zum Unterschriftenautomaten der Bundesregierung degradieren zu lassen. Die Auflage, daß die Bundesregierung vor Übernahme von Gewährleistungen die Zustimmung des Haushaltsausschusses einholen muß, unterstreicht dies. Jetzt sind verantwortungsbewußte Abgeordnete in der Pflicht, die von Merkel geplante Erweiterung des Rettungspaketes (ESM) zu stoppen.
Entlassen ist vor allem aber nicht der Wähler aus seiner Verantwortung, Politiker zu wählen, die dem nationalen Gemeinwohl verpflichtet sind. Es ist deshalb alarmierend, wenn in Mecklenburg-Vorpommern am letzten Wahlsonntag nur noch jeder zweite von dieser Möglichkeit Gebrauch machte.