Mit seiner Entscheidung, die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen Piusbruderschaft rückgängig zu machen, hat Papst Benedikt XVI. ein mediales Erdbeben ausgelöst – zuvorderst in Deutschland.
Der Vatikan erlebt einen Kommunikations-Gau, der unbestritten hausgemacht ist. Überrascht wurde man von den Holocaust relativierenden Äußerungen des Bischofs Williamson, der jedoch schon früher Anstößiges äußerte.
Damit war die Dramaturgie des Medienspektakels diktiert. Allen Richtigstellungen des Vatikans zum Trotz geht es aber längst um etwas anderes: die Autorität des Papstes und der katholischen Kirche.
Hier marschiert eine Phalanx auf, der nicht nur die aktuelle Versöhnungsgeste des Papstes an katholische Traditionalisten, sondern die Dogmen und Autorität der katholischen Kirche insgesamt zuwider sind.
Hysterie hat Öffentlichkeit im Griff
Diese Kirche, die sich standhaft weigert, ihre religiöse Wertehierarchie einer weltlichen unterzuordnen, kollidiert notwendigwerweise immer wieder mit einer säkularen, relativistischen Welt – es sei denn, sie kapituliert und erkennt die Regeln der Political Correctness als höherwertig an denn das Wort ihres Gründers, Jesus Christus.
Die Hysterie hat die Öffentlichkeit im Griff. Zeitungen überschlagen sich in Ausfällen gegen den Vatikan: Ein FAZ-Redakteur (Christian Geyer) nennt den vom Papst berufenen Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner gar einen „Volksverhetzer“, der Chef des Axel-Springer-Verlags, Matthias Döpfner, als Herausgeber des Boulevardblatts Bild eine unfehlbare moralische Instanz, dekretiert in selbigem Blatt: „Papst Benedikt XVI. fügt Deutschland in der Welt großen Schaden zu.“
Er belaste seine Amtszeit mit einem „fürchterlichen Makel“. Der Papst solle sich gefälligst entschuldigen, ansonsten gelte für den – nach katholischer Lehre – Stellvertreter Christi auf Erden: „Wer dazu nicht die Kraft findet, sollte nicht die Kraft Gottes für sich in Anspruch nehmen.“
Der Schuldkult hat sich zivilreligiös verselbstständigt
Deutschland ist ein säkulares Land. Seit der Reform des § 166 StGB im Jahr 1969 gibt es keine Verurteilungen mehr wegen Gotteslästerung. Die Leugnung des Holocaust ist hingegen unter Strafe gestellt, und es erfolgen deshalb jährlich zahlreiche Verurteilungen.
Über ein vernünftiges Maß der Erinnerung hinaus hat sich ein Schuldkult zivilreligiös verselbständigt, so daß die Verletzung des Holocaust-Tabus die größtmögliche Schande in unserem Kulturkreis nach sich zieht. Es ist bezeichnend, daß die Europäische Union auf den Gottesbezug in ihren Verfassungsentwürfen verzichtet, die Leugnung des Holocaust aber europaweit unter Strafe gestellt werden soll.
Zum Ausgangspunkt der Affäre zurück: Die Rücknahme der Exkommunikation bedeutet keine Anerkennung der Bischofsämter der Piusbrüder, wie irrtümlich angenommen, sondern lediglich die Gnade der Rückkehr in den Kreis der einfachen katholischen Gläubigen, die zum Empfang der Sakramente berechtigt sind: seien sie Papst, Priester, Mörder – oder Holocaust-Leugner. Denn nach christlichem Verständnis sind sie alle Sünder und können eine Vergebung erlangen, die diese Welt nicht bereithält.