Wo sind die deutschen Helden? Wo sind die Identifikationsfiguren der deutschen Geschichte, die sich Jugendliche in ihr Kinderzimmer hängen? Wen gibt es, zu dem die Nachwachsenden aufsehen, in dem sie ein Vorbild erkennen? Darf es überhaupt deutsche Helden geben?
Das öffentliche Verständnis von der deutschen Geschichte ist eines, das monströs wie das Holocaust-Mahnmal in Berlin beherrscht wird von der Vorstellung eines kollektiven Versagens der Deutschen, einer Kollektivschuld an den Verbrechen des nationalsozialistischen Staates zwischen 1933 und 1945. Einer Kollektivschuld, die so nicht genannt wird (und regelmäßig formal bestritten wird, selbst von Daniel Goldhagen), aber doch insofern Grundlage des geschichtspolitischen Diskurses ist, als den Deutschen eine historische Prädisposition zum Völkermord, eine spezifisch deutsche Qualifikation zum Verbrechen attestiert und ein bewußtes niederträchtiges kollektives Wegsehen unterstellt wird.
Alles, was diesem Bild vom angeblichen Kollektivversagen entgegensteht, muß dabei unterbelichtet oder ausgeblendet werden. Ob es Victor Klemperers Tagebuchaufzeichnungen („Fraglos empfindet das Volk die Judenverfolgung als Sünde“) sind oder die ungezählten Widerstandsakte – bis hin zur Verschwörung des 20. Juli 1944, deren Netzwerk in alle Glieder der Armee führte und die kein Beispiel aus anderen totalitären Diktaturen kennt.
Warum widmet sich Deutschland so halbherzig-verschämt derer, die aufstanden? Vielleicht, weil es sich mit einer Kollektivschuld-Neurose leichter leben läßt? Vielleicht, weil man damit die Nation eleganter entsorgen und sich in ein neues beliebig-kosmopolitisches Zeitalter verabschieden kann?
Es scheint Vertretern der deutschen Öffentlichkeit leichter zu fallen, deutsche Untaten superlativ in Staatsakten zu beklagen und die Dämonen der Vergangenheit zu beschwören, weil die Gegenwart und die heutigen Akteure moralisch in einem um so strahlenderen Licht erscheinen.
Dagegen fällt es schwerer, großer Gestalten zu gedenken, neben denen man womöglich kleinmütiger und blasser aussehen könnte. Gestalten, die zudem bezeugen, daß der Kampf um die Bewahrung der Nation ein legitimer war.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der am 15. November 100 Jahre alt geworden wäre und der am späten Abend des fehlgeschlagenen Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 im Berliner Bendlerblock hingerichtet wurde, überragt diese Zeit. Sein Ausruf „Es lebe das heilige Deutschland“ beschämt Nachgeborene, denen die Ehre ihres Vaterlandes fremd ist. Der Ruf ist eine Zumutung für eine Gesellschaft, in deren Elite es zum guten Ton gehört, ausdrücklich zu erklären, man sei nicht stolz auf die eigene Nation.
Wir haben zur Erinnerung an Stauffenberg ein Plakat gedruckt, das Sie im Panoramadruck auf den Seiten 18/19 in dieser Ausgabe finden. Es gehört in jedes Jugendzimmer. Neben dem Ausruf Stauffenbergs enthält es den kaum bekannten Eid der Erhebung, der ein unsterbliches Zeugnis deutschen Nationalgefühls ist, das die Widerstandskämpfer bei ihrer Tat antrieb. Wir verneigen uns vor einem Großen.