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Ein Experte zieht Bilanz: Wie die EZB zum Gönner verschwenderischer Politiker wurde

Ein Experte zieht Bilanz: Wie die EZB zum Gönner verschwenderischer Politiker wurde

Ein Experte zieht Bilanz: Wie die EZB zum Gönner verschwenderischer Politiker wurde

Ex-Chefvolkswirt für die EZB, Otmar Issing, im Jahr 2012. (Themenbild/Collage)
Ex-Chefvolkswirt für die EZB, Otmar Issing, im Jahr 2012. (Themenbild/Collage)
Ex-EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing im Jahr 2012. Foto: IMAGO / Sven Simon
Ein Experte zieht Bilanz
 

Wie die EZB zum Gönner verschwenderischer Politiker wurde

Um jeden Preis? Ein ehemaliger Chefökonom der EZB rechnet mit dem Geschäftsmodell Eurozone ab. Das ist längst überfällig. Ein Kommentar von Thorsten Polleit.
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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich in das Schlepptau der Euro-Staaten und ihrer maroden Finanzlage begeben, und die Inflation wird dadurch wohl wieder ansteigen. Ein solches Urteil läßt sich aus dem jüngsten FAZ-Beitrag von Otmar Issing, EZB-Chefvolkswirt von 1998 bis 2006, herauslesen. Denn die EZB macht mittlerweile genau das, was die Euro-Gründungsväter in jedem Fall verhindern wollten: daß die Zentralbank die Haushalte der Euro-Staaten finanziert.

Die EZB hat erstmals in der globalen Finanzkrise 2008/09 Staatsanleihen in großem Stil gekauft und die Käufe mit neuen, aus dem Nichts geschaffenen Euro bezahlt. 2010 und 2012 hat die EZB dann noch mehr Euro-Staatsanleihen gekauft und im Corona-Jahr 2022 sogar angekündigt, gezielt die Anleihen einzelner Euro-Schuldenstaaten zu kaufen, um deren Refinanzierungskosten niedrig zu halten. Einmal damit begonnen, gibt es kein Zurück aus der „fiskalischen Dominanz“: Die Verschuldungspolitik der Staaten bestimmt die Geldpolitik der EZB, nicht (mehr) umgekehrt. Indem die EZB die Zinsen künstlich niedrig hält, erleichtert sie die Verschuldung.

Die klammen Staaten gewöhnen sich nicht nur daran, mittlerweile gehen die Marktakteure sogar fest davon aus, daß die EZB im Notfall „einspringt“: Investoren kaufen daher auch Staatsanleihen schlechter Schuldner zu geringen Zinsen, weil sie davon ausgehen können, daß es keine Pleiten mehr geben wird. Das gesamte Zinsgefüge im Euroraum wird dadurch verzerrt. Es kommt zu Kapitalfehllenkungen. Die Produktivität erlahmt, weil die künstlich niedrigen Zinsen schlechte Firmen am Leben erhalten. Die Abhängigkeit der Euro-Schuldner von chronisch niedrigen EZB-Zinsen und -Rettungsaktionen wird immer größer.

Die EZB kann keine unabhängige Bank sein

Das Ganze läuft zum einen darauf hinaus, daß immer mehr Ressourcen in die Hände der Staaten gespült werden, der Anteil der Staatsausgaben am Wirtschaftsgeschehen immer größer wird, die Euro-Volkswirtschaften also „verplanwirtschaftet“ werden. Zum anderen wird die EZB die Geldmenge immer weiter ausweiten müssen, um die Euro-Staaten flüssig zu halten. Vor allem um neue Krisen abzuwehren, wird die EZB wohl bald für astronomische Zuwächse der Euro-Geldmenge sorgen müssen, die alles bisherige in den Schatten stellen werden.

Überrascht sein sollte man von all dem allerdings nicht. Vielmehr ist es naiv zu glauben, eine staatliche Zentralbank könne „unabhängig“ von der staatlichen Politik sein. Ihr eigentliches Gründungsmotiv ist es vielmehr, die Staatsverschuldung möglichst geräuschlos zu bewerkstelligen. Das Versprechen, „Preisstabilität“ zu gewähren, ist dabei nur ein Feigenblatt, entpuppt sich früher oder später als falsches Versprechen, das nur gemacht wird, um die Zustimmung der Öffentlichkeit zu erheischen.

Warum, so fragt man sich, kritisieren nicht mehr jüngere Ökonomen den Weg in die Inflationspolitik? Schätzen sie die Gefahrenlage gänzlich anders ein? Oder fehlt ihnen etwa die Unabhängigkeit und Courage, unbequeme Wahrheiten auszusprechen? Wie die Antwort auch ausfallen mag: Daß der 89jährige Otmar Issing auf das Kernproblem verweist – wenn auch verklausuliert –, ist richtig und sollte ermutigen, der Gefahrenlage ins Gesicht zu sehen und über Lösungen nachzudenken, bevor es wirklich zu spät ist.


Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirt und Herausgeber des „Boom & Bust Report“.

Aus der JF-Ausgabe 27/25. 

Ex-EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing im Jahr 2012. Foto: IMAGO / Sven Simon
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