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Nachruf: Bundespräsident Köhler – Sympathieträger und tragische Figur

Nachruf: Bundespräsident Köhler – Sympathieträger und tragische Figur

Nachruf: Bundespräsident Köhler – Sympathieträger und tragische Figur

Horst Köhler war kein Charismatiker, doch sein gesunder Menschenverstand brachte ihn den Deutschen näher – und als Bundespräsident zu Fall. Offiziell stürzte er über den Afghanistan-Einsatz. Doch sein Rücktritt fiel just in die Tage einer Merkel-Sünde. Ein Nachruf von Thorsten Hinz. Bundespräsident Horst Köhler zum 20jährigen Gedenken des Wendeherbstes '89: Als kühler Finanzexperte begeisterte er die Deutschen. Foto: picture-alliance/ dpa | Peter Endig
Horst Köhler war kein Charismatiker, doch sein gesunder Menschenverstand brachte ihn den Deutschen näher – und als Bundespräsident zu Fall. Offiziell stürzte er über den Afghanistan-Einsatz. Doch sein Rücktritt fiel just in die Tage einer Merkel-Sünde. Ein Nachruf von Thorsten Hinz. Bundespräsident Horst Köhler zum 20jährigen Gedenken des Wendeherbstes '89: Als kühler Finanzexperte begeisterte er die Deutschen. Foto: picture-alliance/ dpa | Peter Endig
Bundespräsident Horst Köhler zum 20jährigen Gedenken des Wendeherbstes ’89: Als kühler Finanzexperte begeisterte er die Deutschen. Foto: picture-alliance/ dpa | Peter Endig
Nachruf
 

Bundespräsident Köhler – Sympathieträger und tragische Figur

Horst Köhler war kein Charismatiker, doch sein gesunder Menschenverstand brachte ihn den Deutschen näher – und als Bundespräsident zu Fall. Offiziell stürzte er über den Afghanistan-Einsatz. Doch sein Rücktritt fiel just in die Tage einer Merkel-Sünde. Ein Nachruf von Thorsten Hinz.
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Der verstorbene Altbundespräsident Horst Köhler war weder ein Charismatiker noch ein begnadeter Redner; seine Präsidentschaft endete abrupt am 31. Mai 2010 mit dem Rücktritt. Dennoch dürfte er der letzte Amtsträger gewesen sein, an den man sich respektvoll erinnert. Der Finanzexperte, der es bis an die Spitze des Internationalen Währungsfonds geschafft hatte, verfügte über einen gesunden Menschenverstand. Dieser brachte ihn den Menschen nahe und als Politiker zu Fall.

Der Anlaß war ein Rundfunkinterview zehn Tage zuvor auf dem Rückflug aus Afghanistan, wo er die Bundeswehrsoldaten besucht hatte, die dort im Einsatz waren. Der Einsatz war in der Bevölkerung zu Recht hoch umstritten. Über ihm schwebte der gesinnungsethische Unfug eines Verteidigungsministers, der behauptet hatte, die Freiheit Deutschlands werde am Hindukusch verteidigt. Auf die Frage nach dem Sinn antwortete Köhler unter anderem, daß ein exportorientiertes Land wie Deutschland ein Interesse an der Freiheit der Handelswege habe und gegebenenfalls auch militärisch dafür einstehen müsse. Eine Selbstverständlichkeit, die aber zum Skandal geriet. Köhler propagiere eine „Kanonenbootpolitik“ und sei „eine lose rhetorische Deckskanone an der Spitze des Staates“, hieß es.

Köhler kapitulierte vor dem Euro-„Rettungsschirm“

Objektiv hatte der Präsident sich in einer Sackgasse befunden. Weder wollte er den Soldaten, die ihren lebensgefährlichen Dienst taten, in den Rücken fallen, noch konnte er Kritik an der Regierung üben, die an dem Einsatz festhielt. Also versuchte er, dem Unfug einen verantwortungsethischen Anstrich zu geben. Der gesinnungsethisch fixierte Politik- und Medienbetrieb war mit dem Nachvollzug und der Reflexion des Konflikts, in dem er sich befand, überfordert. Aus der Merkel-Regierung kam keine Unterstützung, und auf einen Streit wollte Köhler sich aus seinem überparteilichen Amtsverständnis heraus nicht einlassen. So blieb ihm nur der Rücktritt.

Oder war alles ganz anders? Noch bevor Köhler am 21. Mai 2010 gegen Mitternacht in Berlin landete, hatte das Bundespräsidialamt die Meldung herausgegeben, daß er das Gesetz zur „Euro-Stabilisierung“ unterzeichnet und ausgefertigt habe. Nur konnte er das Gesetz noch gar nicht kennen, denn es war erst am selben Tag vom Bundestag im Eilverfahren verabschiedet worden. Am nächsten Tag reichte er die Unterzeichnung nach. Der beschlossene „Rettungsschirm“ belastete Deutschland mit 148 Milliarden Euro und setzte das „Bail-out-Verbot“, das die EU-Staaten zur selbständigen Staatsfinanzierung verpflichtete, außer Kraft. Als Finanzfachmann wußte Köhler, was das bedeutete. Er mag sich genötigt gefühlt haben – und kapitulierte. In der Politik endete der Sympathieträger als tragische Figur.

Aus der JF-Ausgabe 07/25. 

Bundespräsident Horst Köhler zum 20jährigen Gedenken des Wendeherbstes ’89: Als kühler Finanzexperte begeisterte er die Deutschen. Foto: picture-alliance/ dpa | Peter Endig
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