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Rücktritt von Havard-Präsidentin Gay: Die Mafia der Mediokrität in Harvard

Rücktritt von Havard-Präsidentin Gay: Die Mafia der Mediokrität in Harvard

Rücktritt von Havard-Präsidentin Gay: Die Mafia der Mediokrität in Harvard

ex-Harvard-Präsidentin Claudine Gay sitzt bei einer Anhörung und hört der Diskussion zu
ex-Harvard-Präsidentin Claudine Gay sitzt bei einer Anhörung und hört der Diskussion zu
Der Skandal rund um die gescheiterte Harvard-Präsidentin Claudine Gay offenbart die Krise der amerikanischen Gesellschaft Foto: picture alliance / REUTERS | KEN CEDENO
Rücktritt von Havard-Präsidentin Gay
 

Die Mafia der Mediokrität in Harvard

Jahrelang bekleidete Claudine Gay hohe Posten an der renommierten US-Universität Harvard, wo sie sich für „DEI“ einsetzte: „Diversity“, „Equity“ und „Inclusion“. Ihr Rücktritt offenbart die Krise der amerikanischen Gesellschaft. Ein Kommentar von Karlheinz Weißmann.
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Im Hinblick auf den Rücktritt von Claudine Gay als Präsidentin der Universität Harvard haben sich relativ rasch zwei Lager gebildet: Das eine sieht in ihrem Abgang den neuerlichen Sieg der strukturell rassistischen und frauenfeindlichen US-Gesellschaft, das andere betrachtet diesen Schritt als überfällig, angesichts ihrer seifigen Haltung zu antisemitischen Vorfällen im akademischen Bereich und der mittlerweile zutage geförderten Plagiate und methodischen Schlampigkeiten in ihren wissenschaftlichen Publikationen.

Wie man einem Beitrag von Ayaan Hirsi Ali entnehmen kann, gibt es mittlerweile aber noch eine dritte Fraktion, die die akademische Karriere Gays als solche zum Problem erklärt. Denn die sei der Beweis dafür, daß das amerikanische Bildungssystem – und keineswegs nur die Ivy League – von einer „Mafia der Mediokrität“ beherrscht werde. Entscheidend sei dessen Korruption durch „DEI“: „D“ für „diversity“ – Vielfalt, „E“ für „equity“ – Fairness – und „I“ für „inclusion“ – Einbeziehung.

„DEI“: Eine freundliche Umschreibung für Korruption

Das klinge zwar ganz positiv und menschenfreundlich, aber dahinter verberge sich ein perfides Konzept, das jeden gnadenlos ausschalte, der sich den Vorgaben einer engstirnigen und absurden Doktrin nicht zu beugen willens sei. Der zufolge sind Farbige, Frauen, Homosexuelle und andere „Minderheiten“ als diejenigen zu betrachten, die durch „intersektionale“ Unterdrückung in einer weiß dominierten, patriarchalischen und homophoben Gesellschaft unterdrückt werden und deshalb Anspruch auf „positive Diskriminierung“ – also Entbindung von den üblichen Bewertungsmaßstäben – haben.

Ayaan Hirsi Ali betont, daß entsprechende Vorstellungen an den amerikanischen Universitäten heute weitgehend durchgesetzt sind und Widerstand nur noch von einzelnen geleistet werde. Sie gibt sich deshalb auch keiner Illusion hin, wenn es um den Rückzug von Claudine Gay geht, die weiter als Professorin in Harvard bleibt und ein Jahresgehalt von etwa 900 000 US-Dollar bezieht. Faktisch habe die Harvard Corporation, schreibt sie, nur auf den Druck reagiert, der durch den drohenden Weggang von Förderern – die etwa 1 Milliarde US-Dollar für 2024 in Aussicht gestellt hatten – und die Tatsache ausgeübt wurde, daß sich die fast fünfzig Plagiatsfälle Gays nicht mehr vertuschen ließen.

Die gescheiterte Harvard-Präsidentin als Symptom der Krise

Darauf, daß man die strukturellen Probleme beheben werde, solle man nicht hoffen. Denn niemand stelle die entscheidende Frage, wie jemand, der in sechsundzwanzig Jahren kein Buch und nur elf – mangelhafte – Artikel in Fachzeitschriften zustande gebracht habe, Präsident von Harvard werden konnte, weil die Antwort lauten müßte: „Als Gay die akademische Karriereleiter emporstieg, war ihr Ehrgeiz zwar zentral, aber kaum ausreichend. Vielmehr tat sie dies mit der Komplizenschaft eines Netzwerks von Gatekeepern: den Zulassungsstellen von Princeton und Stanford“, Universitäten, an denen sie studiert hat, „den Gutachtern, die ihr Plagiat übersehen haben; den Harvard-Ausschüssen, die sie durch die verschiedenen Ränge der Professorenschaft befördert haben; und schließlich den Mitgliedern der Harvard Corporation, die sie als geeignetste Kandidatin für das Amt des Präsidenten betrachteten.“ Die Entscheidung der Corporation, hält Ayaan Hirsi Ali fest, habe nichts mit Exzellenz zu tun gehabt, sondern lediglich mit der Erwartung, daß hier jemand – als Farbige, als Frau und Vertreterin des Postkolonialismus – den Kriterien von „DEI“ entsprach.

So zutreffend diese Analyse ist, sie reicht nicht aus, um vollständig zu erklären, wie es so weit hat kommen können, daß man den Skandal um Claudine Gay nicht als Einzelfall, sondern als Symptom einer Krise des amerikanischen Bildungssystems, in mancher Hinsicht sogar als Symptom einer Krise der amerikanischen Gesellschaft, betrachten muß. Dazu ist es notwendig, einen Blick auf tiefere Ursachen zu werfen. Hilfreich kann dabei der Inhalt eines vor mehr als fünfzig Jahren erschienenen Essays von Hannah Arendt sein.

Scheinstudiengänge im Zeichen der Toleranz

So groß Hannah Arendts Sympathie für die Bürgerrechtsbewegung in den USA war, beobachtete sie doch beunruhigt, wie willfährig die Institutionen – vor allem die Universitäten – deren Forderungen nachgaben. Dazu gehörte die Bereitschaft, in Zukunft nicht nur schwarze Studenten aufzunehmen, sondern auch, für sie die üblichen Leistungsstandards außer Kraft zu setzen.

Denn nachdem sich gezeigt hatte, daß die Neulinge die Anforderungen nicht erfüllten, konzipierte man für sie neue Fächer – die sogenannten Negroe Studies, mit Kursen in Soul-Musik oder Suaheli zum Beispiel –, die erkennbar nicht an wissenschaftlichen Kriterien, sondern an einer besonderen Art von Linientreue ausgerichtet waren. Hannah Arendt hielt schon diese Entscheidung für fatal, sah sie aber außerdem im Zusammenhang mit einer neuen Art von Segregation, die in diesem Fall nicht von der weißen, sondern von der schwarzen Seite ausging.

Eine wichtige Rolle spielte dabei die Instrumentalisierung des Rassismus-Vorwurfs. Der wurde selbst dann erhoben, wenn ein Weißer erkennbar nur „vage Vorurteile“ äußerte. Während umgekehrt alles, was es an systematischer und böswilliger Herabsetzung eines Schwarzen gab, nicht nur durch die Linke, sondern auch durch das liberale Establishment als eine Art ausgleichende Gerechtigkeit betrachtet wurde.

Das „Black Manifesto“ von 1969: Der Traum von der schwarzen Diktatur

Hannah Arendt erwähnt als Muster dieses „schwarzen Rassismus“ das 1969 veröffentlichte „Black Manifesto“ James Formans. In diesem Fall gilt: Vorsicht bei der Nutzung von Wikipedia, deren Einträge über Forman – in der deutschen wie der englischen Version – den Eindruck vermitteln, es habe sich um einen aufrechten Antirassisten und Menschenfreund gehandelt. Bezeichnenderweise ist auch der vollständige Text des „Black Manifesto“ nicht ganz leicht aufzufinden.

Das gilt heute als erster Fall, in dem „Reparationen“ für das Unrecht verlangt wurden, das Weiße Schwarze in der Vergangenheit angetan hatten. Aber das war es nicht allein, denn Forman und seine Gefolgsleute forderten, daß sich die Weißen – ausdrücklich: Juden wie Christen – der „Führungsrolle der Schwarzen bereitwillig“ zu unterwerfen hätten, wollten sie nicht einen Rassenkrieg riskieren, in dem sie unterliegen müßten.

So oder so werde eine schwarze „Avantgarde“ die „totale Kontrolle“ übernehmen und eine „bewaffnete, wohl disziplinierte, von Schwarzen kontrollierte Regierung“ bilden, um in den USA eine sozialistische Republik aufzubauen und dann eine panafrikanische Bewegung ins Leben zu rufen, die den weltweiten Aufstand gegen den weißen Mann anführe.

Hannah Arendt warnte: Aus Worten können Taten werden

Hannah Arendt war durchaus bewußt, daß vieles an der Idee einer kommenden Rassenrevolution, die damals Forman wie Frantz Fanon oder Jean-Paul Sartre oder Susan Sontag propagierten, Verbalradikalismus war. Aber sie wies auch darauf hin, daß Worte niemals nur Worte sind, daß sie Taten werden können.

Wahrscheinlich hat sie sich kaum vorstellen können, in welcher Form das geschehen würde, aber wenn sie einen Blick auf unsere heutige Lage mit ihrem politisch-korrekten Sprachregime, der Allgegenwart des anti-weißen Rassismus, den bizarren Vorstellungen des wokeism und der kulturellen Zerstörung in seinem Namen werfen könnte, würde sie sich wohl in ihrer Einschätzung bestätigt fühlen, daß Ideen, die einst nur „blödsinnig“, weil allzu exzentrisch oder utopisch, erschienen, in einer verdünnten, aber toxischen Version ihre Wirkung entfaltet haben.

Der Skandal rund um die gescheiterte Harvard-Präsidentin Claudine Gay offenbart die Krise der amerikanischen Gesellschaft Foto: picture alliance / REUTERS | KEN CEDENO
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