Die Deutsche Sprache verdankt den Amerikanern, so notierte Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek, eine große Bereicherung: Das Wiesel-Wort (englisch: weasel-word). Der Begriff leitet sich von eben jenem kleinen, flinken Raubtier ab, das angeblich den gesamten Inhalt aus einem Ei heraussaugen kann, ohne daß es die Schale zerstört.
So ähnlich funktionieren auch Wiesel-Wörter. Wenn man sie einem Ausdruck hinzufügt, verliert dieser, respektive der ganze Satz, jede Art von Bedeutung. Vom „sozialen Gewissen“ bis zum „sozialen Frieden“ – am Ende sind die Begriffe und Sätze entkernt und niemand weiß mehr so recht, wovon die Rede war. Ein Stilmittel, das Politiker besonders gerne nutzen.
Politiker arbeiten gezielt mit Unklarheiten
Wie sehr Hayek Recht behalten hat, zeigt sich besonders an dem Wort „Genozid“ und dessen haarsträubenden Verballhornungen „Femizid“ und „Ökozid“, die seit einiger Zeit im Umlauf sind.
Als im Sommer vergangenen Jahres ein Mann im Allgäu seine Ehefrau erstach, twitterte die Landesvorsitzende der Grünen, Katharina Schulze: „‘Nach derzeitigem Ermittlungsstand könnte es sich nach Polizeiangaben um eine Beziehungstat gehandelt haben.’ Femizid. Das Wort um die schreckliche Tat zu beschreiben ist Femizid.“
Genauere Auskunft gab Frau Schulze leider nicht darüber, wie sie den Begriff definieren würde. Man kann nur erahnen, was die Politikerin damit meinte. Wenn „Genozid“ Völkermord bedeutet, also das systematische Ermorden einer Volksgruppe, dann wäre „Femizid“ die ebenso systematische Ermordung von Frauen.
Indizien dafür, daß ein solcher Massenmord derzeit wirklich im Gange ist, gibt es keine. Einziger Effekt der Wortneuschöpfung ist somit die Aushöhlung des Ausgangsbegriffes sowie letzten Endes dessen Abwertung. Und möglicherweise die erhoffte größere Aufmerksamkeit, weil der Begriff irgendwie gefährlicher klingt.
Am Ende kann das Gefängnis stehen
Nicht anders verhält es sich mit der Bezeichnung „Ökozid“. Der Jurist Philippe Sands plant, den Begriff im internationalen Strafrecht zu verankern. Für schwere Umweltschäden könnten dann einzelne Personen verantwortlich gemacht werden. Neben Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Angriffskriegen wäre „Ökozid“ dann der fünfte Tatbestand.
Wenn es nach dem britisch-französischen Anwalt und Bestsellerautoren ginge, sollten Leute wie der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro in Zukunft in Den Haag vor Gericht stehen und wie Kriegsverbrecher behandelt werden. Daß auf den Flächen unter anderem auch Soja für den umweltbewußten Vegetarier aus dem Westen entsteht – geschenkt.
Auch den Dieselskandal in Deutschland scheint Sands genauestens verfolgt und für seinen neuen Straftatbestand im Visier zu haben. „Es ist eine Sache, ob ein Konzern ein paar Hundert Millionen Euro Schadenersatz zahlen muß. Aber es ist etwas ganz anderes, wenn der Vorstandschef sich Sorgen darüber machen muß, daß der Staatsanwalt am nächsten Morgen an die Tür klopfen könnte“, sagte er Zeit Online. Ob die Umwelt durch die manipulierten Motoren von VW tatsächlich geschädigt wurde und ob man dies schon als „Ökozid“ bewerten könne, verrät uns der Jurist nicht.
Wer Begriffe wie „Ökozid“ oder „Femizid“ nutzt, verharmlost Genozide
Frei übersetzt heißt Ökozid „Umweltmord“, also die systematische Zerstörung der Umwelt mit dem Ziel ihrer Ausrottung. Das kann man aber weder Bolsonaro noch dem VW-Konzern ernsthaft vorwerfen.
Wer Begriffe wie „Ökozid“ oder „Femizid“ nutzt, verharmlost Genozide. Jedes neue Wort mit der Endung „-zid“ macht aus diesen Begriffen Wiesel-Wörter. Am Ende ist alles und nichts ein Ökozid – und alles und nichts ein Genozid.