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Flutkatastrophe in Deutschland: Im Ernstfall versagt

Flutkatastrophe in Deutschland: Im Ernstfall versagt

Flutkatastrophe in Deutschland: Im Ernstfall versagt

Seehofer und Laschet
Seehofer und Laschet
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU) sprechen vor der Steinbachtalsperre zu den Medien Foto: picture alliance/dpa | Roberto Pfeil
Flutkatastrophe in Deutschland
 

Im Ernstfall versagt

Das Staatsversagen in Deutschland hat eine neue Dimension. Die Reaktion der Verantwortlichen von Staat und Behörden auf die Flutkatastrophe entspricht dem Ritual, das in den Merkeljahren bis zum Überdruß eingeübt worden ist: Erst wegschauen, dann beteuern, man habe alles richtig gemacht. Ein Kommentar.
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Das Staatsversagen in Deutschland hat eine neue, schockierende Dimension. Binnen weniger Tage hat das verheerende Jahrhunderthochwasser im Westen der Republik mindestens 165 Tote gefordert, Tausende Verletzte und Vermißte, unzählige vernichtete Existenzen sowie Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe an öffentlicher Infrastruktur und privatem Eigentum. Die öffentliche Reaktion der verantwortlichen Repräsentanten von Staat und Behörden entspricht dem Ritual, das in den Merkeljahren bis zum Überdruß eingeübt worden ist: erst Wegschauen, dann die Beteuerungen, man habe im Grunde alles richtig gemacht.

Fehler passierten zwar, aber im großen und ganzen habe man sich doch nichts vorzuwerfen. Darauf folgt die symbolpolitische Zusage von „Soforthilfen“, verbunden mit der selbstausgestellten Generalabsolution durch den Verweis auf höhere Mächte: Naturkatastrophen wie diese seien nur ein weiterer Beweis für die fatalen Folgen der „globalen Erwärmung“ und des „menschengemachten Klimawandels“. Dagegen helfe nur, den von Politik und Meinungsführern gewiesenen Weg noch rascher zu beschreiten.

Eine Verteidigungsposition, die so brüchig ist wie ein lange vernachlässigter Hochwasserdeich und die auch ebenso unausweichlich von den Fakten und der Realität hinweggespült wird. Dagegen hilft auch nicht, daß die öffentlich-rechtlichen Sender als treue Knappen der Regierenden am Rechtfertigungsmythos vom schicksalhaften Klimawandel mitschaufelten. Schließlich hatten sie in der Hochwassernacht selbst versagt und ihr vorgefertigtes Standardprogramm abgenudelt, statt die bedrohten Bürger mit Unwetterwarnungen und Katastrophendurchsagen rechtzeitig zu alarmieren. Das ignorante Scheitern am gestellten Auftrag liefert ein Argument mehr, warum ARD, ZDF und ihr vielköpfiger Programmzirkus die zwangsweise eingetriebenen Gebührenmilliarden nicht wert sind.

Ausländische Medien berichteten

Bezeichnenderweise mußten die Nachrichten über das ganze Ausmaß des Staats- und Behördenversagens den Umweg über ausländische Medien nehmen. Eine britische Hydrologin, Mitentwicklerin des europäischen Hochwasser-Warnsystems „Efas“, berichtet unter ungläubigem Kopfschütteln, das System habe volle vier Tage vor dem Hochwasser Alarm geschlagen, Warnungen an die deutsche und belgische Regierung übermittelt und präzise Voraussagen zu besonders gefährdeten Orten nachgereicht. Warnungen, die allem Anschein nach nicht oder nur unvollständig weitergegeben wurden – ein „monumentales Systemversagen“.

Der britische Zeitungsbericht darüber kursierte zuerst in sozialen Netzwerken, bis die Bild-Zeitung ihn aufgriff. Seither ergießt sich eine Sturzflut von Versagensmeldungen über die Öffentlichkeit und läßt in Abgründe blicken. Deutschlands Warnsysteme und Katastrophenschutz haben sich offenkundig auf das Niveau eines Entwicklungslandes zurückentwickelt: abmontierte oder funktionsuntüchtige Sirenen, keine aktuellen Durchsagen, kein brauchbares System für Warnbotschaften über Mobilfunk. Alles Defizite, die spätestens seit dem Desaster des „Nationalen Warntags“ vom Herbst 2020 schon bekannt sind, was offenbar zu keinerlei Konsequenzen geführt hat. Folgt man Berichten aus den Krisengebieten, wurde offenbar auch in den randvollen Speicherseen nicht rechtzeitig Raum für die Aufnahme zusätzlicher Wassermassen geschaffen.

Zum aktuellen Versagen kommen die längerfristigen Versäumnisse. Ausrüstung und Personalstärke von Feuerwehren, Rettungsdiensten und Technischem Hilfswerk entsprachen vielfach nicht mehr dem Stand der Technik und den Anforderungen. Ein Hochwasserszenario wie das aktuelle war pikanterweise auch im „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz“ von 2012 enthalten, in dem auch eine Sars-Pandemie durchgespielt worden war.

Konsequenzen wurden offenkundig aus beiden Analyseszenarien nicht gezogen. Seit Jahren wird in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über die Schaffung zusätzlicher Rückhaltebecken und Überschwemmungsflächen diskutiert, um im Hochwasserfall die Wassermassen von dichtbesiedelten Stadtlandschaften fernzuhalten. Die Pläne liegen in den Schubladen, doch die Landesregierungen Armin Laschets (CDU) und Malu Dreyers (SPD) verdrängen den Ernstfall, spekulieren darauf, er werde sie schon nicht während der laufenden Regierungsperiode treffen.

Nicht vom Himmel gefallen

Die Wette ist nicht aufgegangen. Hochwasser gehören an Rhein und Ahr zu den Risiken, mit denen die Menschen seit Jahrhunderten leben müssen. Sie sind nicht erst mit der Klima-Hysterie vom Himmel gefallen. Auch das Umweltbundesamt und seriöse Klimawissenschaftler weisen die Mär vom häufiger gewordenen Starkregen und vom durch die Erderwärmung gestörten „Jetstream“, der länger anhaltende Extremwetterlagen begünstige, zurück. Flußbegradigungen und Bodenversiegelung, veraltete Abwassersysteme und zu niedrige Brücken, dichte Bebauung und aufgesiedelte Überschwemmungsflächen ohne adäquate Schutzmaßnahmen lassen den Starkregen zur Katastrophe anschwellen. 1804 und 1910 gab es an der Ahr auch ohne Klima-Diskussion ähnlich verheerende Hochwasser, aber mit weniger als halb so vielen Opferzahlen.

Davon wollen Politiker, die jetzt wieder mit Gummistiefeln zu gefühligen Bildern ausrücken, nichts hören. Statt sich mit den Niederungen der Organisation, Prävention und konkreter Gefahrenabwehr abzugeben, nehmen sie lieber den Weltenrettergestus ein. Sie versprechen Nothilfe, prahlen mit Beträgen, die sie sonst in vierzehn Tagen für fragwürdige Corona-Tests, Euro-Rettungen und Asyl-Migration zum Fenster hinauswerfen, und schnorren die Bürger noch um zusätzliche „Spenden“ an.

Die packen derweil an und bewältigen die Katastrophe nicht wegen, sondern trotz der politischen Maßnahmen, ganz undivers und ohne sich um Klischees von „toxischer Männlichkeit“ zu scheren. Im Ernstfall zeigt sich, daß Bürgersinn, Gemeinschaftsgeist und selbstverständliches Eintreten füreinander noch immer funktionieren.

Es zeigt sich aber auch, daß Deutschlands staatliche Strukturen mit dem Ernstfall zunehmend überfordert sind, weil sich das zuständige Führungspersonal lieber in ideologische Wolkenkuckucksheime flüchtet, statt sich mit echten Problemen am Boden zu befassen. Das abziehende Wasser bringt es an den Tag: Deutschlands Staatsgebäude ist eine Baustelle mit Einsturzgefahr.

JF 30-31/21

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU) sprechen vor der Steinbachtalsperre zu den Medien Foto: picture alliance/dpa | Roberto Pfeil
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