Seit genau 73 Jahren gewinnt Israel seine Kriege. Meistens blitzartig, manchmal mühsam. Aber ohne diese Siege gäbe es Israel nicht mehr. Yitzhak Rabin, General in zwei Kriegen, später Verteidigungsminister, Premierminister und Friedens-Nobelpreisträger, brachte es auf diese Formel: „Wir können so viele Kriege gewinnen, wie wir wollen, es reicht, wenn wir einen verlieren.“ Israels Kriege sind Existenzfragen.
Deshalb gehört die Militärtechnologie zu den Forschungszweigen, für die das Wort des Euro-Bankers Mario Draghi, heute Regierungschef Italiens, gilt: „What-ever it takes – was immer es kostet“. Denn diese Technologie ist eine Frage des Überlebens. Niemand zweifelt daran, daß Israel Atomwaffen besitzt, es sollen an die 200 sein, einige auf U-Booten im Mittelmeer. Aber Abschreckung hat bei islamistischen Fanatikern nur sehr begrenzte Wirkung. Und deshalb gehört der Präventivgedanke auch zu den Konstanten der Strategie Israels, um nicht zu sagen zur Staatsräson.
Dieser Gedanke kommt auch bei dem neuen Gaza-Krieg zum Zug. Die israelische Armee zerstört konsequent Waffentransporte aus dem Iran nach Syrien, zur Hisbollah und auch zur islamistischen Hamas. Das Problem ist: Die Hamas hat eine 14-Kilometer lange Grenze zu Ägypten, die löchriger ist als ein Schweizer Käse. Durch zahllose Tunnel werden seit Jahren Abertausende Einzelteile in das Kalifat der Hamas geschmuggelt und in unterirdischen Fabriken zu Raketen zusammengebaut.
Auch Hamas hat dazu gelernt
Auch die Hamas hat aus den Kriegen gelernt. Sie hat nur noch relativ wenig überirdische und von Flugzeugen leicht zu vernichtende Raketenstellungen. Das weitverzweigte Tunnelsystem unter Gaza-Stadt (mit einer Gesamtlänge von geschätzt 150 Kilometern) aber erlaubt den mobilen Abschußrampen einen schnellen Stellungswechsel. Dieses Tunnelsystem mit seinen Bunkern, Depots und Fabriken will der israelische Generalstabschef Aviv Khokavi so gründlich zerstören, daß die Hamas über Jahre hinaus gefechtsunfähig ist.
Zu dem Festungssystem der Hamas gehören auch Kommandozentralen, die zum Teil in Hochhäusern mit Büros von zivilen Schutzschilden wie NGOs oder Nachrichtenagenturen untergebracht sind. Und es gehört zur üblichen Desinformation staatshöriger, vor allem europäischer Redaktionen, besonders den Beschuß ziviler Einrichtungen zu beklagen und das eigentliche Ziel, die Zerstörung der Kommandozentralen der Terror-Organisation, allenfalls beiläufig zu erwähnen.
Der Generalsekretär der Uno hat wiederholt vor einer unkontrollierbaren Regionalisierung des Konflikts gewarnt. Antonio Guterres tut seine Pflicht. Die Gefahr aber besteht kaum. Bisher kam es nur in europäischen Städten und in der Türkei zu Demonstrationen, bei den „Bruderstaaten“ der Palästinenser in Nah- und Mittelost regt sich kaum etwas. Die arabischen Trompeten vor Jerusalem sind verstopft. Man kann davon ausgehen, daß vor allem die Monarchen am Golf interessiert zuschauen, wie Israel einen militärischen Arm der Mullahs amputiert.
Wohin flossen die Gelder der EU?
Auch die ägyptischen Unterhändler lassen sich – und Israel – erstaunlich viel Zeit. Mitleid mit den Palästinensern? Das hat es in der Region selten gegeben. Dafür glaubte man eigentlich immer nur die Europäer zuständig, die das auch verläßlich in den Sprechblasen der Politiker äußerten – um sich dann schließlich am „Wiederaufbau“ zu beteiligen. Wohin die Gelder aus Brüssel, Berlin und Paris flossen, wurde de facto nicht kontrolliert. Die Europäer von heute sind eben Händler, nicht Helden.
Nein, die Uno kann so viel warnen, beraten und beschließen wie sie will: Israel wird nicht eher mit den gezielten Aktionen gegen Terroristenführer, Waffendepots und Kommandozentralen aufhören und notfalls Spezialkommandos einsetzen, bis keine größere Gefahr mehr aus dem Gaza-Streifen droht.
Die Biden-Administration wird den Israelis auch die nötige Zeit dafür verschaffen, sei es durch Vetos oder Diskussionen. Schließlich ist, wie jüngste Umfragen wieder ergeben haben, für vier von fünf amerikanischen Juden Israel ein wesentlicher oder sehr wichtiger Bestandteil der jüdischen Identität. Die amerikanischen Juden wählen traditionell mehrheitlich die Demokraten. Und hier geht es zudem nicht nur um Wahltaktik, sondern um Existenzfragen.
Abwehrsystem funktioniert
Mehr als 3.200 Raketen haben die Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad auf Israel abgefeuert, an die 500 explodierten noch über dem eigenen Territorium und verursachten dadurch viele Opfer unter den eigenen Zivilisten. Mehr als 2.300 Raketen wurden von den Abwehrsystemen Eiserner Dom und Davidschleuder abgefangen. Viele Geschosse jedoch kamen durch und zeigten, daß die Abwehrsysteme zwar effektiv sind, aber bei derart massiven Angriffen an die Belastungsgrenze geraten.
Das berührt die Staatsräson. Denn wenn es einmal zu einem Dreifrontenkrieg kommen sollte – im Süden gegen die Hamas, im Norden gegen die Hisbollah und aus der Luft durch iranische Raketen nach einem Angriff auf die Atomanlagen – dann könnte der Schutzschirm zusammenbrechen mit unabsehbaren Folgen für Jerusalem und Tel Aviv. Diese Situation wollen die Präventiv-Strategen Israels verhindern.
Steht, im Umkehrschluß betrachtet, also ein Schlag gegen die iranischen Atomanlagen bevor? Klar ist: Viele Brände, Pannen und Explosionen der letzten Monate bei und in diesen Anlagen gehen auf Sabotage-Akte israelischer Agenten zurück. Unsicher ist, ob es reicht. Denn für die israelischen Strategen ist genauso klar: Iran darf nicht in den Besitz der Atomwaffe kommen. Das wäre der wirkliche Ernstfall, das Armageddon Israels. Für diesen Zeitpunkt will Israel gewappnet sein.
JF 21/21