Ein Land, das auf sich hält, behandelt seine Veteranen mit Respekt und Hochachtung. Wer für das eigene Land sein Leben riskiert hat, wer seine körperliche und seelische Gesundheit im Einsatz darangegeben hat, verdient Wertschätzung, Fürsorge und angemessene Versorgung, wenn er aus dem Felde zurückgekehrt ist.
Deutschland geht hier, wie in so vielem, einen Sonderweg unter den europäischen und westlichen Nationen. Ob in den USA oder in Großbritannien, in Frankreich oder den Niederlanden, vielfältige Vergünstigungen und eigene Einrichtungen für Veteranen, spezielle Hilfswerke und Unterstützungssysteme und vor allem öffentliche Anerkennung und Ehrung, sei es anläßlich eigener „Veteranentage“ für Kriegsheimkehrer oder im Rahmen gesellschaftlicher Großereignisse, sind bei den meisten unserer Verbündeten eine Selbstverständlichkeit.
Nicht so in Deutschland, das die Veteranen der Auslandseinsätze der Bundeswehr ähnlich verklemmt und schamhaft versteckt wie die Gefallenen, die es ebenso wie Kriegsversehrte und Fronttraumatisierte seit den neunziger Jahren erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs auch in Deutschland wieder gibt. Statt eines repräsentativen Mahnmals im Herzen der Hauptstadt vor den Augen der Politiker, die die Soldaten in Kriegseinsätze in aller Welt schicken, wird der Gefallenen der Bundeswehr seit einigen Jahren an einer „zentralen Gedenkstätte“ in einem abgelegenen Wäldchen in der Nähe von Potsdam gedacht.
„Unsichtbare Veteranen“
Einen „Veteranentag“ als staatlichen Gedenktag gibt es in Deutschland bis heute nicht, obwohl der damalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), immerhin noch ein Gedienter, der einer alten Offiziersfamilie entstammt, die überfällige Debatte darüber schon 2012 angestoßen hatte.
Die auf de Maizières Initiative zum Stückpreis von 87 Cent beschafften zehntausend Veteranenabzeichen, die noch immer ihrer Verleihung harrer, sind ein sprechendes Sinnbild für die „unsichtbaren Veteranen“, wie der Reserveoffizier Björn Schreiber in seinem Buch die „Kriegsheimkehrer in der deutschen Gesellschaft“ bezeichnet.
Ihren „Veteranentag“ schaffen sich die Veteranen der Auslandseinsätze inzwischen selbst. Vor einem Jahr machten Mitglieder des Bundes Deutscher Einsatz-Veteranen mit Mahnwachen und Aktionen vor Reichstag und Kanzleramt auf ihre „unvergessenen“ Gefallenen und die „unsichtbaren Veteranen“ der Bundeswehr aufmerksam.
Keine starke Lobby
Politiker ließen sich damals bei den Veteranen nicht blicken; nachdem sich einiges geändert hat im Bundestag, dürfte das in diesem Jahr anders sein. Doch das Dilemma bleibt bestehen: Als Interessenvertreter kämpfender Soldaten haben sie im Lobbyistenchor einer pazifizierten, militärskeptischen und von hedonistischem Individualismus getriebenen Gesellschaft nur eine schwache Stimme.
In einem Land, das seit 1991 Soldaten in ferne Länder entsendet und für dessen Armee sich gerade dieser Tage der erste bewaffnete Auslandseinsatz, der im Mai 1993 in Somalia begann, zum 25. Mal jährt, ist das ein Anachronismus. Etwa zehntausend Bundeswehrangehörige kehren nach Schätzung des Veteranenverbands jedes Jahr aus Einsätzen im Ausland zurück. Über hundert deutsche Soldaten sind seit 1992 im Ausland gefallen, die Hälfte allein in Afghanistan.
Allein zweiundzwanzig dieser Toten haben sich während eines Einsatzes im Ausland das Leben genommen. Von den Rückkehrern kommt eine wachsende Zahl mit bleibenden Verletzungen und Verstümmelungen, mit psychischen Leiden oder Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) in die Heimat zurück – 170 neue Fälle von PTBS-Kriegstraumata wurden allein im vergangenen Jahr diagnostiziert.
Geht um den gesellschaftlichen Stellenwert
Leiden und Sterben von Soldaten im Krieg gehören seit Jahrzehnten wieder zu Deutschland. Der rhetorische Bombast, mit dem Parteien und Politiker auf den Status der Bundeswehr als „Parlamentsarmee“ pochen, bei deren Einsätzen die Bundestagsabgeordneten stets das letzte Wort haben müßten, steht in scharfem Kontrast zu der Gleichgültigkeit, mit der das offizielle Deutschland die Anliegen und Forderungen seiner Veteranen und der Familien der Gefallenen verdrängt.
Bis heute hat die deutsche Politik weder ein Veteranen-Konzept noch überhaupt eine Definition dafür, wer als Veteran zu bezeichnen wäre. Das sei gewollt, mutmaßen Veteranen-Vetreter: So könne auch keiner nachfragen, wie viele Veteranen von Bundeswehr-Auslandseinsätzen nach der Rückkehr ins Nichts gefallen sind, sich umgebracht haben, von Hartz IV leben oder womöglich obdachlos geworden sind.
Beim Unwillen der Bundeswehr-Veteranen über ihre Vernachlässigung geht es indes um weit mehr als Versorgungsansprüche, auch wenn dort nach wie vor sehr viel im argen liegt. Es geht um den gesellschaftlichen Stellenwert der Armee und derjenigen ihrer Angehörigen, die getreu dem Eid ihr Leben und ihre Gesundheit riskiert oder gar gegeben haben.
Respekt für die Opferbereitschaft
Über Sinn und Berechtigung dieser Einsätze mag man streiten, der Respekt für die Opferbereitschaft der Soldaten steht über jeder Diskussion. In den Heimatorten der Soldaten gerät bereits einiges in Bewegung, der Ignoranz an der politischen Spitze zum Trotz. Da wird in einer hessischen Stadt eine Straße nach einem gefallenen Bürger benannt, da erhält eine Kaserne in Hannover den Namen eines in Afghanistan gefallenen Hauptfeldwebels, der dort gedient hat.
Die Verteidigungsministerin mag das noch in ihr Verständnis neuer, eigener Bundeswehr-Traditionen einsortieren. Soldatisches Bewußtsein läßt sich aber nicht verordnen. Kriegsheimkehrer wollen nicht als Opfer wahrgenommen werden. Viele denken mit Stolz an ihre Einsätze zurück, an den besonderen Geist der Kameradschaft, das Gefühl, unter höchstem Einsatz Besonderes zu leisten.
JF 23/18