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Kommentar Wahlwiederholung Österreich: Schluß mit „paßt schon“

Kommentar Wahlwiederholung Österreich: Schluß mit „paßt schon“

Kommentar Wahlwiederholung Österreich: Schluß mit „paßt schon“

Gerhart Holzinger
Gerhart Holzinger
Der Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger Foto: picture alliance/APA/picturedesk.com
Kommentar Wahlwiederholung Österreich
 

Schluß mit „paßt schon“

Alles von vorn. Die Stichwahl des österreichischen Präsidenten wird komplett wiederholt. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hatte bei der Überprüfung der Wahlauszählung massive Verstöße und ein unglaubliches Maß an Schlamperei festgestellt. Doch Österreich ist kein Einzelfall. Ein Kommentar von Thomas Fasbender.
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Alles von vorn. Die Stichwahl des österreichischen Präsidenten wird komplett wiederholt; Termine im September und Oktober sind bereits reserviert. Wegen massiver formaler Mängel hat der österreichische Verfassungsgerichtshof den Wahlgang vom 20. Mai für ungültig erklärt. Alexander Van der Bellen von den Grünen und der Kandidat der FPÖ, Norbert Hofer, müssen erneut in den Ring.

Den konkreten Vorwurf der Wahlfälschung hatte auch die FPÖ vermieden. Im Mittelpunkt stand ein schier unglaubliches Maß an „schlamperter“ Organisation. Das Motto der Wahlhelfer und Beisitzer scheint gewesen zu sein: „Paßt schon“. Klassisch die Frage eines der Richter bei der Anhörung: „Ab wann konvergiert das Protokoll wieder mit der Realität?“

Unregelmäßigkeiten auch in Deutschland

Besonders kraß waren die Verstöße bei der Auszählung der Briefwahlstimmen. Die durfte nach Recht und Gesetz erst am Morgen nach der Wahl und erst in Gegenwart aller bestellten Wahlbeisitzer beginnen. Doch auf gut österreichisch nahm man auch das nicht so genau. Auf die Richterfrage: „Ist Ihnen bekannt, wann die Briefwahlstimmen ausgezählt wurden?“ bezeugte eine Beisitzerin der Grünen: „Ich habe es aus der Zeitung erfahren.“

Hinzu kam, daß vor der Wahl ungewöhnlich viele Briefwahlkarten – fast 900.000 – bei den Gemeindeämtern beantragt worden waren. Der FPÖ-Politiker Herbert Kickl mutmaßte polemisch, „Helfershelfer des gegenwärtigen Politsystems“ könnten die Gelegenheit nutzen, dem Wählerwillen zugunsten des „Systemrepräsentanten Van der Bellen“ nachzuhelfen.

Ganz so abwegig ist der Verdacht nicht. Sogar in Deutschland, wo doch angeblich alles so korrekt zugeht, kam es bei Wahlauszählungen schon zu erheblichen Unregelmäßigkeiten. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März waren bei der ersten Auszählung Stimmen der AfD anderen Parteien zugesprochen worden. Nach einer weiteren Auszählung erhielt die Partei dann ein zusätzliches Landtagsmandat.

In Bremen mußte das Ergebnis der Landtagswahl im Mai 2015 korrigiert werden, nachdem ehrenamtliche Wahlhelfer zu Ungunsten der AfD gezählt hatten.

Zweideutig-eindeutig

Um ein ganzes Mandat war die Partei betrogen worden. Was dem Faß den Boden ausschlug, war der Kommentar des Juristen und hessischen CDU-Landtagsabgeordneten Hartmut Honka. Er twitterte zweideutig-eindeutig: „Was ist schlimmer? Schüler fälschten Wahl oder ein Sitz mehr für die AfD“.

Bremen ist kein Einzelfall. Seit dem Brexit wird in deutschen Medien die Abschaffung des Wahlrechts für Ältere gefordert. Konservative werden als überflüssiger Ballast abgetan, dessen man sich entledigen müsse. Wenn ein 38jähriger Amtsträger der deutschen Kanzlerinnenpartei – der besagte Herr Honka MdL – mit scheelem Grinsen die Grundsätze der Demokratie lächerlich macht, ist das österreichische „paßt schon“ dem Bremer „weg damit“ am Ende vielleicht sogar vorzuziehen. Warten wir die nächsten Wahlen ab.

Der Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger Foto: picture alliance/APA/picturedesk.com
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