EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) gibt sich gern als Mann des Volkes. Hemdsärmelig und gerade heraus. Ein Freund der klaren Worte. Leider kann Schulz sich das Volk nicht aussuchen, als dessen Repräsentant er sich sieht. Wenn es nach ihm ginge, hätten alle Bürger ein SPD-Parteibuch, würden ihm bei Auftritten mit Winkelementen zujubeln und ihr Kreuz stets brav bei der SPD machen.
Doch die Realität sieht leider anders aus. Auf der Beliebtheitsskala sind die Sozialdemokraten dem Rausch der Tiefe verfallen. Und bei öffentlichen Auftritten bläst führenden Genossen regelmäßig ein rauher Wind entgegen.
In einem Interview mit der Zeit hat Schulz seinem Frust über das undankbare Volk nun Luft gemacht. Anlaß waren die Proteste am Tag der Deutschen Einheit in Dresden. Auf die Frage, was er denke, wenn in Sachsen Menschen „Wir sind das Volk“ rufen und sich damit gegen die Demokratie aussprächen, antwortete Schulz: „Diejenigen, die heute schreien ‘Wir sind das Volk’ und gleichzeitig die Repräsentanten der Demokratie anpöbeln, die haben den Ausruf nicht verstanden und das Volk sind sie schon gar nicht.“
Wer das Volk ist, bestimmt Schulz
Anders ausgedrückt: Wer die Staatsführung nicht liebt, gehört nicht mehr zum Volk. Ginge es nach ihm, würde er solch renitente Querulanten am liebsten ausbürgern. Leider ist diese Praxis aber mit der friedlichen Revolution von 1989 aus der Mode gekommen. Deshalb bleibt Schulz nur die Möglichkeit der verbalen Ausbürgerung. Wer das Volk ist, bestimmt der frühere Bürgermeister Würselens ganz allein. Und die „Merkel muß weg“-Forderer und „Volksverräter“-Rufer von Dresden sind es ganz klar nicht.
Den Statuts einer Volkspartei hat die SPD längst eingebüßt. Nun arbeitet man im Willy Brand Haus offenbar an einem neuen Image: dem der Anti-Volkspartei. Parteichef Sigmar Gabriel hat mit seiner „Pack“-Beschimpfung im vergangenen Jahr schon die Marschrichtung vorgegeben. Auch Partei-Vize Ralf Stegner gefällt sich in der Rolle des dauerpöbelnden Wählerbeschimpfers. Da ist es nur konsequent, daß Schulz mittlerweile als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten gehandelt wird.