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Meinung: Von Kopf bis Fuß

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Berlinerinnen mit Kopftuch Foto: rg
Berlinerinnen mit Kopftuch Foto: rg
Meinung
 

Von Kopf bis Fuß

Auf den Islam eingestellt zu sein, der ja angeblich zu Deutschland gehört, ist inzwischen auch beim Bundesverfassungsgericht angekommen. Das entschied nun, ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen im Unterricht sei grundgesetzwidrig. Eine andere Entscheidung hätte auch sofort den politisch-korrekten Verdacht der Islamophobie auf sich gezogen. Ein Kommentar von Wolfgang Ockenfels.
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Auf „den“ Islam eingestellt zu sein, der ja angeblich zu Deutschland gehört, ist inzwischen auch beim Bundesverfassungsgericht angekommen. Das parteipolitisierte Gericht hat jüngst entschieden, daß ein generelles Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen nicht statthaft sei. In ihrer rechtspolitischen Argumentation lassen die Karlsruher Richter eine Sichtweise erkennen, die auf dem „rechten“ Auge blind und geschichtsvergessen erscheint: Es darf nämlich keine „Privilegierung zugunsten christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ mehr geben.

Diese Absage bildet das Grunddogma des Urteils, das jene Voraussetzungen unseres Grundgesetzes negiert, unter denen es überhaupt zustande kam und nach denen es auch sachgerecht und widerspruchsfrei zu interpretieren ist. Diese klassische Texthermeneutik ist aber in Karlsruhe in Vergessenheit geraten. Wie auch unserer Justiz insgesamt die realistische Wahrnehmung und Bewertung der konkreten Wirklichkeit immer mehr zu entgleiten scheint.

Eine andere Entscheidung hätte sofort den politisch-korrekten Verdacht der Islamophobie auf sich gezogen

Das Kopftuchverbot verstößt angeblich „gegen das Verbot der Benachteiligung aus religiösen Gründen“, vor allem gegen das Recht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Artikel 4 des Grundgesetzes), so das hohe Gericht. Dem es aber nicht einfällt, die Legalität oder gar Legitimität einer Religion zu definieren, deren Vorschriften durchaus als unvereinbar mit unserem christlich-naturrechtlich geprägten Grundgesetz gelten können. Es ging in Karlsruhe einstweilen „nur“ um ein „imperatives religiöses Bedeckungsgebot“ irgendeiner islamischen Gruppierung. Gemeint war das von ihr, die nicht näher bezeichnet wurde, vorgeschriebene Tragen einer den Islam symbolisierenden, speziell weiblichen Textilie, die als identitätsstiftend anerkannt wird, auch wenn sie eher ein Zeichen der Unterwerfung ist.

Eine andere Entscheidung hätte sofort den politisch-korrekten Verdacht der Islamophobie und der Frauenfeindlichkeit auf sich gezogen. Welch ein Glück für das Gericht, daß es sich bei seinem Urteil nicht auf andere Körperbedeckungen einlassen mußte. Katholische Nonnen und Priester haben schon längst ihre alten Trachten abgelegt, sonst wären sie exotisch auffällig. Juden wagen es in Deutschland kaum mehr, eine Kippa öffentlich zu tragen. Verkleidungsvernarrte Transvestiten sind bisher noch nicht auf die Gender-Idee gekommen, bunte Kopftücher im Schulunterricht vorzuführen. Auch macho-männliche Muslime lassen noch keine Absicht erkennen, im Klassenzimmer mit Turban, Fez oder Burnus ihre islamische Identität zu unterstreichen. Diese malerischen Kleidungsstücke bleiben hierzulande zunächst dem Karneval vorbehalten, der damit eine lächerliche Variante der Islamisierung demonstriert.

Die Religionsfreiheit, auf die sich das Gericht beruft, wird dem Islam nicht gerecht

Es geht also dem Karlsruher Gericht einstweilen nur um die Kostümierung von nachweislich weiblichen Lehrkräften an öffentlichen Schulen, die einem Islam anhängen, der sich von Kopftüchern eine gewisse Werbewirksamkeit verspricht. Tatsächlich können einem die kopftuchtragenden Lehrerinnen sympathischer erscheinen als solche, die sich als schamlose „Femen“ präsentieren. Aber warum geht es hier nur um die Pädagogen weiblichen Geschlechts? Weil sie inzwischen das gesamte Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungswesen in Deutschland dominieren. Das entspricht durchaus der feministischen Ideologie, hat aber mit Geschlechtergerechtigkeit nichts zu tun.

Apropos Gerechtigkeit. Das Tuch auf dem Kopf repräsentiert eher die islamische Unterwerfung der Frauen als ihre Befreiung. Die Religionsfreiheit, auf die sich das Gericht beruft, wird weder dem Islam noch der freiheitlichen Rechtsordnung in Deutschland gerecht; es hat nur eine harmlose Vorstellung vom Islam und verkennt dessen politisch-religiöse Struktur und Intention.

Signal einer bewußten Abgrenzung zur Tradition unseres Landes

Ebenso dürftig wie zwiespältig ist die richterliche Berufung auf die Religionsfreiheit. Stattdessen erhalten wir Auskunft über die vermeintlich grundrechtskonforme Bekleidungssitte von weiblichen Islamgläubigen, welche als Angestellte oder Beamte des Staates in ihrer Dienstzeit den weltanschaulich neutralen Staat zu repräsentieren haben. Während des Unterrichts getragen, ist das Kopftuch kein diskreter Ausdruck einer privaten religiösen Überzeugung, sondern, wie der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach, zu Recht feststellt, das demonstrative Signal einer „bewußten kulturellen Abgrenzung zur christlich-jüdischen Tradition unseres Landes“.

Nun wußten wir schon vorher, daß sich das oberste deutsche Gericht sehr wankelmütig in Sachen der religiös-kulturellen Verankerung von christlich-abendländischen Werten verhält, ohne die freilich das gesamte Verständnis von freiheitlichen Grund- und Menschenrechten ins Wanken gerät und nicht mehr verständlich ist. Es geht dabei nicht um den albernen Mummenschanz pseudoreligiöser Verkleidung. Vielmehr ging es bereits im ominösen Kruzifix-Urteil von 1995 um das Verhältnis von positiver und negativer Religionsfreiheit. Damals hatte man die Präsenz von Kreuzen in staatlichen Schulen als nicht mehr zumutbar erachtet. Ein Urteil freilich, das vor allem in Bayern umgangen werden konnte, weil es sogar vom europäischen Gerichtshof bezweifelt wurde.

Diesmal geht es um die „Beeinträchtigung des Schulfriedens sowie der staatlichen Neutralität“. Um eine Frage also, die die Eltern und Bürger zu entscheiden haben, wenn sie sich denn endlich auf die eigenen Füße stellen.

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Prof. Dr. Wolfgang Ockenfels ist Publizist und Professor für christliche Sozialethik an der Theologischen Fakultät Trier.

JF 13/15

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