Nein, an mangelndem Selbstbewußtsein leiden die hier lebenden Moslems nicht, wenn sie ausgerechnet am deutschen Nationalfeiertag zum „Tag der offenen Moschee“ einladen. Die Initiative dazu ging 1997 vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) aus. Wenn deutsche Politiker nicht wissen, wie sie den Tag verbringen sollen – seit dieser Zeit haben sie die Möglichkeit, in irgendeiner nahe gelegenen Moschee wohlfeile Phrasen von sich zu geben.
„Wir sind ein Einwanderungsland“ beispielsweise. „Wir brauchen als schrumpfende Gesellschaft jeden einzelnen Menschen in all seiner Vielfalt.“ Oder auch: „Sie bereichern unser Land, gestalten es mit und übernehmen Verantwortung.“ In diesem konkreten Fall gab zwar die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) die Sätze anläßlich irgendeines christlich-islamischen Dialoges von sich, aber eigentlich ist das egal.
Freundliche Islamfunktionäre helfen auf allen politischen Ebenen
Schlußendlich sind die Sätze so austauschbar wie die Sprecher. Wer Menschelndes loswerden will, erzählt, wie er im Koran gelesen hat und das ganz ergreifend fand. Der Intellektuelle unter den Politikern redet von Córdoba und Toleranz und so. Wer sich noch immer unsicher fühlt, dem verhelfen freundliche Islamfunktionäre auf allen Ebenen, auch der höchsten, zu den passenden Worten.
Erst kürzlich trafen sich Delegierte der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), dem größten Zusammenschluß islamischer Länder, mit Vertretern der Europäischen Union. Themen waren ein Dialog zwischen der islamischen Welt und der EU, die Rolle der öffentlichen Medien, der Schutz islamischer Minderheiten, Fragen der Einwanderung und der Kampf gegen „Islamophobie“. Nichts Neues also, das machen sie nämlich schon seit über vierzig Jahren.
Wer etwas werden will, konzentriert sich auf vorzeigbare Seiten des Islam
Vor allem letzteres ist ein Lieblingswort des Islamfunktionärs. „Islamophobe“ sind dabei alle, die so ihre Probleme mit jenen Phrasen haben. Beispielsweise Gisèle Littman, die unter dem Namen Bat Ye’or mehrere Bücher publizierte, zuletzt „Europa und das kommende Kalifat“, in denen sie der OIC vorwirft, Europa planvoll zu islamisieren und dafür politische Institutionen sowie öffentliche Medien lenken zu wollen.
Aber nicht doch. Wer hierzulande etwas werden will, wird ihre These, es gebe eine von Petrodollars geschmierte Funktionärskaste, ins Reich der Fabeln weisen. Feiern wir lieber das nächste Zuckerfest und konzentrieren uns auf vorzeigbare Seiten des Islams. Tatsächlich gibt es derzeit ein weit größeres Problem als die „Islamophoben“, nämlich die eigenen Leute. Die Rede ist vom Islamischen Staat (IS).
Islamischer Staat wirklich nicht „radikal-islamisch“?
Es ist in der Tat eine denkbar schlechte Werbung, wenn durch die Tücken der modernen Kommunikationtechnik Islamkämpfer ihre Greueltaten fast in Echtzeit vor einem Millionenpublikum zelebrieren. Was ist die erste, durchaus verständliche Reaktion? Augen fest zukneifen. Das alles ist gar nicht wahr. Diese Kämpfer seien nicht „radikal-islamisch“ zu nennen, belehrt uns die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi.
Die Sozialdemokratin mit iranischen Wurzeln liefert auch gleich die Erklärung hinterher: „Dies ist eine Zuweisung, die die Muslime hier in Deutschland in ihrer Ehre berührt.“ Und auch der amtierende ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek nennt „die Vertreibung der irakischen Christen“ durch den Islamischen Staat einen „Akt des Unrechtes“, der „gegen den Islam“ sei. Wie soll das gehen, betrachten sich jene Kämpfer doch als fromme Moslems?
Begriffsgeschichtlich ist die Unterscheidung zwischen „Islam“ und „Islamismus“ Nonsens
Nun, das Kunststück ist möglich, indem hierzulande eine Trennlinie zwischen „Islam“ und „Islamismus“ gezogen wird. Nur was soll das heißen? Überspitzt kann man sagen: Das eine ist alles, was gut ist, das andere alles, was nicht so gut ist. Begriffsgeschichtlich ist diese Unterscheidung jedenfalls Nonsens. Die Bezeichung „Islamismus“ tauchte im 18. Jahrhundert auf und dürfte eine direkte Übersetzung von Voltaires „islamisme“ sein.
Erst später sprach man von „Islam“, benutzte aber beide Bezeichnungen unterschiedslos, bis der „Islamismus“ verschwand. Eine Wiedergeburt erlebte das Wort dann durch die Iranische Revolution 1979. Eine Erneuerung des Gemeinwesens auf Grundlage islamischer Überlieferungen nannte man nun „Islamismus“. Und seitdem herrscht das große Rätselraten, was „islamisch“ und was „islamistisch“ sei.
Zu behaupten, das sei alles gar nicht islamisch, ist bestenfalls eine Selbstlüge
Nur um ein Beispiel zu nennen: Die Initiative zum Tag der offenen Moschee kam unter dem ZMD-Gründungsvorsitzenden und heutigem Ehrenmitglied Nadeem Elyas zustande. Der ZMD war nicht der erste Lobbyverband, den Elyas leitete. Zuvor hatte er den Vorsitz des Islamischen Zentrums Aachen inne. Diese Organisation wird aber im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht als eine Unterorganisation der Moslembruderschaft geführt.
Dieselbe Person ist also mal „islamisch“, mal „islamistisch“, je nachdem, was wir wollen. Und den Islamischen Staat, den wollen wir alle natürlich nicht. Seine Taten, die nennen wir einfach unislamisch. Ein jüdisch-zionistisches Gebilde sei das in Wirklichkeit, so eine gängige Verschwörungstheorie. Die Psychologie nennt so etwas Projektion. Denn selbstverständlich ist nicht zu leugnen, daß diese Kämpfer Moslems sind. Immerhin greifen sie auf ein System zurück, welches fest in der islamischen Tradition verankert ist – inklusive der Gewalt gegen Ungläubige.
Mit dem aktuellen Terror im Namen Allahs müssen sich die Moslems auch hierzulande wohl oder übel auseinandersetzen: Wo bleibt die theologische Klärung, was und wieviel aus der Überlieferung im Koran wirklich wörtlich zu nehmen ist? Wo bleibt das konsequente Vorgehen gegen und die Distanzierung von den Scharfmachern? Einfach nur zu behaupten, das sei ja alles gar nicht islamisch, ist bestenfalls eine Selbstlüge. In jedem Fall ist es eine Lüge.
JF 41/14