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Gastkommentar: Erhards verlorenes Vermächtnis

Gastkommentar: Erhards verlorenes Vermächtnis

Gastkommentar: Erhards verlorenes Vermächtnis

Gastkommentar
 

Erhards verlorenes Vermächtnis

Union und SPD gehen in eine Koalition, die Umverteilung und Einschränkung des Wettbewerbs zum Prinzip erhebt. Daß die CDU sich nun noch mit dem Namen Ludwig Erhards schmückt, hat mit der Realität längst nichts mehr zu tun. Ein Gastkommentar von Ökonom Thomas Mayer, Chefberater der Deutschen Bank.
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„Auf dem Wege über den Wettbewerb wird – im besten Sinne des Wortes – eine Sozialisierung des Fortschritts und des Gewinns bewirkt und dazu noch das persönliche Leistungsstreben wachgehalten. Wohlstand für alle und Wohlstand durch Wettbewerb gehören untrennbar zusammen. Das erste Postulat kennzeichnet das Ziel, das zweite den Weg, der zu diesem Ziel führt. Der unbestreitbare Erfolg dieser Politik lehrt, wie ungleich sinnvoller es ist, alle einer Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Energien auf die Mehrung des Ertrags der Volkswirtschaft zu richten, als sich in Kämpfen um die Distribution des Ertrags zu zermürben und sich dadurch von dem allein fruchtbaren Weg der Steigerung des Sozialprodukts abdrängen zu lassen.“

Diese Zeilen stammen von Ludwig Erhard, den viele als Vater des deutschen Wirtschaftswunders verehren. Erhard war bekanntlich der erste Wirtschaftsminister der jungen Bundesrepublik Deutschland und ihr zweiter Kanzler nach Konrad Adenauer. Er war auch Mitglied der CDU, die nun eine Koalition anführen will, die Umverteilung und Einschränkung des Wettbewerbs zum Prinzip erhebt.

Zu Lasten der jüngeren Generation

Die Beweise für diese Behauptung finden sich im Koalitionsvertrag.
Beweisstück 1: Der Koalitionsvertrag verspricht Müttern von Kindern, die vor dem Jahr 1992 geboren wurden, eine höhere Rente und entläßt Arbeitnehmer nach 45 Beitragsjahren schon mit 63 Jahren in den durch die Solidargemeinschaft finanzierten Ruhestand. Damit wird die Umverteilung von der jüngeren zur älteren Generation weiter vorangetrieben.

Beweisstück 2: Die Länder bekommen das Recht, die Erhöhung von Mieten auch für Neuvermietungen zu begrenzen. Statt den Bau neuer Wohnungen anzuregen, wird so der Mangel verwaltet.

Verlust von Arbeitsplätzen

Beweisstück 3: Bis 2017 soll schrittweise ein für alle Regionen Deutschlands und alle Branchen verbindlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde eingeführt werden. Damit werden in schwächeren Regionen und Branchen Lohnerhöhungen über die nächsten vier Jahre von an die 40 Prozent erzwungen. Es wäre ein Wunder, wenn diese staatlich verordnete Lohnerhöhung nicht zu Verlusten an Arbeitsplätzen führen würde.

Beweisstück 4: In der Energiepolitik soll eine Wende weg von der Kernenergie und hin zum Klimaschutz mit staatlich garantierten Preisen und Abnahmemengen für Solar- und Windparks sowie staatlichen Hilfen für die zur Unterstützung notwendigen herkömmlichen Kraftwerke erzwungen werden. Dies stellt sogar die dirigistische gemeinsame Agrarpolitik der EU früherer Jahre in den Schatten.

Zentralbanken finanzieren Staatshaushalt

Beweisstück 5: Die Politik des Umbaus des Euro zum Staatsgeld wird weiter verfolgt. Im Vertrag von Maastricht wurde der Euro als staatenloses Geld – mit Walter Eucken könnte man sagen: als Warengeld – konzipiert. Die EZB wurde allein auf die Wahrung der Stabilität des Geldes verpflichtet, wie eine Zentralbank im Goldstandard zur Wahrung des Werts von Papiergeld gegen Gold. Als dann aber im Zuge der globalen Kreditkrise die Insolvenz von Staaten oder gar deren Austritt aus der Europäischen Wirtschaftsunion (EWU) drohte, wurde diese unter Führung der Vorsitzenden der CDU zu einem staatlichen Schuldgeldsystem umgebaut.

Darin spielt die Zentralbank die Rolle eines Kreditgebers der letzten Instanz für Staaten und hat sich folglich in Zusammenarbeit mit einer Wirtschaftsregierung nicht nur um Preisstabilität, sondern auch um die Finanzierung des Staatshaushalts, um Finanzstabilität und um Wirtschaftswachstum zu kümmern.

Zweifelhafte Legitimation

Damit die als Staatsbank neu aufgestellte EZB diese Ziele verfolgen kann, wurde ihr ein Euro-Schattenstaat zur Seite gestellt, der durch eine Reihe von zwischenstaatlichen Verträgen und Pakten konstituiert wurde. Anstelle einer Währungsunion, in dem der Markt die Staaten durch das Risiko der Insolvenz und des Austritts aus der Union zu Disziplin in der Fiskal- und Wirtschaftspolitik zwingt, ist ein Währungssystem entstanden, in dem die Mitgliedsstaaten durch Kontrollen und Strafen einer supranationalen Schattenregierung mit zweifelhafter demokratischer Legitimation zu einem systemkonformen Verhalten gebracht werden sollen.

Da die Staaten jedoch ihre nationale Souveränität mit Zähnen und Klauen verteidigen, wird der Schattenstaat als Papiertiger enden und die Staatszentralbank zum Reparaturbetrieb der EWU werden. Eine langfristig stabile Währung, die Erhard als menschliches Grundrecht bezeichnet hat, kann so nicht geschaffen werden.

Die CDU schmückt sich gelegentlich immer noch gerne mit dem Namen Erhards. Aber als Partei Erhards ist sie nicht mehr zu erkennen. Man sollte meinen, daß nun die von Erhard eingesetzten Erben zur Bewahrung seines Vermächtnisses ihre Stimmen laut erheben. Aber von ihnen ist in der Öffentlichkeit nichts zu hören. Auch sie scheinen verstummt zu sein.

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Dr. Thomas Mayer, ist Chefberater der Deutschen Bank und war als Nachfolger von Norbert Walter von 2010 bis zu seinem freiwilligen Rückzug 2012 deren Chefvolkswirt sowie Leiter von Deutsche Bank Research. Bereits seit 2002 ist Mayer für das größte deutsche Kreditinstitut tätig, zunächst als dessen „Chief European Economist“ und als „Co-Head of Global Economics“ in London.

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