BERLIN. Seit 2009 veranstaltete das konservative Institut für Staatspolitik (IfS) seine halbjährlichen Sommer- und Winterakademien im „Ostheim“ der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) in Bad Pyrmont.
Diesen März beendete die LO dann die Zusammenarbeit mit dem IfS – ohne Angabe von näheren Gründen. Vorausgegangen war allerdinge eine Kampagne der Antifa sowie Proteste der Stadt Bad Pyrmont gegen die IfS-Veranstaltungen. Nachdem die JUNGE FREIHEIT vor zwei Wochen (JF 19/13) über den Vorgang berichtete, sah sich die LO offenbar zu einer Rechtfertigung gezwungen.
In einer Stellungnahme vom vergangenen Mittwoch warf sie dem Institut für Staatspolitik unter anderem eine Nähe zur NPD vor, sowie „den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Institutionen oder das Grundgesetz beeinträchtigen“ zu wollen. Die JF konfrontierte den Geschäftsführer des IfS, Erik Lehnert, mit den Vorwürfen. (krk)
Herr Dr. Lehnert, wollen Sie und das IfS das Grundgesetz und die Bundesrepublik abschaffen?
Lehnert: Wie kommen Sie auf so etwas?
„Der Vorwurf ist völlig aus der Luft gegriffen“
Das zumindest wirft Ihnen die Landsmannschaft Ostpreußen in einer aktuellen Pressemitteilung vor.
Lehnert: Der Vorwurf ist völlig aus der Luft gegriffen und zeigt, in welchem Ausmaß die Führung der LO mittlerweile im politisch korrekten Mainstream angekommen ist. Wörtlich heißt es da ja, wir wollten den „demokratischen Verfassungsstaat“ delegitimieren und den „Bestand der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen“. Was soll das bedeuten? Wir sind doch nicht die EU, die ja genau das betreibt? Das sind Worthülsen, mit denen man jeden, der sich ernsthaft um Deutschlands Zukunft sorgt, stigmatisieren kann. Sarrazin mußte sich ja ähnliche Vorwürfe gefallen lassen.
Die LO wirft Ihnen aber auch vor, mit der NPD zusammenzuarbeiten und „höherrangige Funktionäre“ der Partei auszubilden?
Lehnert: Das bezieht sich auf die schlichte Tatsache, daß der spätere Landtagsabgeordnete Arne Schimmer einige unserer Akademien besucht hat. Das ist kein Geheimnis und wurde von meinem Vorgänger, Götz Kubitschek, offen kommuniziert. Es ist abwegig, daß damit eine institutionelle Zusammenarbeit mit der NPD suggeriert werden soll. Die gibt es nicht und wird es nicht geben. Das IfS ist eine parteipolitisch völlig unabhängige Bildungs- und Forschungseinrichtung.
Allerdings befürchtet man von seiten der Landsmannschaft, daß auch auf künftigen IfS-Veranstaltungen NPD-Mitglieder anwesend sein könnten.
Lehnert: Es ist nicht meine Aufgabe, die Leute, die sich bei uns zu den Seminaren anmelden, geheimdienstlich zu bearbeiten. Wer im Vorfeld einer Akademie als Störenfried auszumachen ist, darf nicht kommen, wer sich dem Niveau entweder geistig oder sozial nicht gewachsen zeigt, wird nicht noch einmal zugelassen. Letztlich ist das einzige Kriterium, nach dem wir die Teilnehmer auswählen, ob sie bereit sind, etwas zu lernen. Das gilt für sämtliche Mitglieder aller Parteien, beispielsweise auch für die der FDP oder der Union, die ebenfalls schon an unseren Veranstaltungen teilgenommen haben.
„Dem Druck der Antifa nachgegeben“
Halten Sie also die Gründe der LO, das Ostheim nicht mehr an Sie zu vermieten, für vorgeschoben?
Lehnert: Das ist offensichtlich der Fall. Nachdem in Ihrer Zeitung der Fall publik gemacht wurde, gab es wohl eine erhebliche Anzahl von Protestschreiben der Mitglieder an die Geschäftsführung der LO. In den mir vorliegenden Schreiben spielt der Vorwurf, die LO habe dem Druck der Antifa nachgegeben, eine entscheidende Rolle. Und um das nicht auf sich sitzen zu lassen, hat man die gängigsten Vorwürfe zusammengebastelt, die man finden konnte, um so seine Distanzierung im nachhinein zu rechtfertigen.
Es heißt aber, der Protest gegen die letzte Akademie des IfS in Bad Pyrmont sei „von breiten bürgerlichen Kreisen“ getragen und eine Kundgebung sogar von einem CDU-Mitglied des Stadtrates organisiert worden?
Lehnert: Wenn man darauf nachsichtig antworten würde, könnte man sagen, auch CDU-Mitglieder können sich mal irren. In Wirklichkeit verhält es sich jedoch so, daß der vermeintlich „bürgerliche Kreis“, der solche Kundgebungen organisiert, jeglichen Maßstab verloren hat für das, was man politischen Diskurs nennen könnte.
Wenn es früher eine bürgerliche Tugend gab, die das Gemeinwohl über die eigene politische Überzeugung stellte, so ist davon nicht viel geblieben. Davon, daß man nicht mehr in der Lage ist, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und sich eine eigene Meinung zu bilden, sondern einer von der Antifa losgetretenen Kampagne hörig folgt, will ich gar nicht reden.
„Die eigene Feigheit als mutig darstellen“
Die LO kritisiert zudem, das IfS sei gar kein eingetragener Verein und besitze keine Rechtspersönlichkeit, daher wisse man nicht, mit wem man es in Wirklichkeit zu tun habe.
Lehnert: Wenn die LO nach vier für beide Seiten erfolgreich durchgeführten Veranstaltungen im Ostheim solches behauptet, ist das schon merkwürdig. Falls da Fragen gewesen wären, hätten wir diese leicht beantworten können. Das Institut für Staatspolitik ist, wie die Zeitschrift Sezession, ein Zweckbetrieb des Vereins für Staatspolitik e.V., eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins, den es seit mittlerweile 13 Jahren gibt und der seitdem kontinuierlich gearbeitet hat.
Der wissenschaftliche Leiter, Karlheinz Weißmann, und ich waren bei jeder Veranstaltung vor Ort. Der Vorwurf, daß wir uns quasi im Verborgenen bewegen würden, ist absurd und zeigt, wie hilflos man nach Argumenten sucht, die eigene Feigheit als mutig dastehen zu lassen.
Hat Sie das Verhalten der LO überrascht, hätten Sie mit so einer Vorgehensweise gerechnet?
Lehnert: Ja, das hat uns sehr überrascht, da es für diese Wendung keinerlei Anzeichen gab. Uns wurde von Dritten übermittelt, daß die LO das Ostheim in Zukunft nicht mehr an das IfS vermieten würde. Unsere Anfrage an den Sprecher der LO, Stephan Grigat, blieb über einen Monat unbeantwortet. Es bedurfte erst des öffentlichen Drucks, daß die von Ihnen zitierte Pressemitteilung erschien und uns ein ähnlich lautender Brief vom Bundesgeschäftsführer der LO, Sebastian Husen, erreichte.
„Entscheidendes Signal“
Was heißt das für Sie für die Zukunft?
Lehnert: Für das IfS heißt das, wir werden an anderem Ort tagen. Für mich bedeutet es, da mein Vater selbst in Ostpreußen geboren wurde, eine persönliche Enttäuschung. Entscheidend ist allerdings das Signal, das von der Distanzierung der LO vom IfS ausgeht.
Es bedeutet leider nicht weniger, als daß sich auf den alten, konservativen Strukturen nichts aufbauen läßt und wir gut beraten waren, das IfS aus eigener Kraft, gemeinsam mit unseren Förderern, aufzubauen. Im anderen Fall müßten wir uns jetzt von uns selbst distanzieren, so können wir die Arbeit fortsetzen.
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Dr. Erik Lehnert (37), promovierter Philosoph, ist seit 2008 Geschäftsführer des Instituts für Staatspolitik. Das IfS besteht seit dem Jahr 2000. Zu seinen Referenten gehörten unter anderem: Arnulf Baring, Konrad Adam, Alain de Benoist, Martin Hohmann, Erich Vad, Lorenz Jäger, Reinhard Günzel, Martin van Creveld und Herwig Birg. Das Institut gibt zudem seit 2003 die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift Sezession heraus.