Das kann man wohl eine Blitzkarriere nennen: Eben noch war Willi van Ooyen ein politischer Niemand, ein unbekannter Linker aus Frankfurt am Main, pazifistisch und parteilos; jetzt ist er Fraktionsvorsitzender der Linken im hessischen Landtag und damit faktisch einer der mächtigsten Politiker in diesem Bundesland. Denn seit die knallrote Polit-Kombo am 27. Januar mit 5,1 Prozent und sechs Abgeordneten in Wiesbaden vertreten ist, bestimmt sie die Landespolitik maßgeblich mit – wenn auch ex negativo. Einerseits steht seitdem Roland Koch (CDU) als amtierender Ministerpräsident einer linken Parlamentsmehrheit gegenüber, andererseits könnte nur mit Duldung durch van Ooyens Truppe die Äppelwoi-Hillary Andrea Ypsilanti (SPD) ihren brennenden Ehrgeiz auf das Spitzenamt stillen. Ohne die Linke, die am Wochenende in Gießen ihren Parteitag begehen und dort die Bedingungen für die Ypsilanti-Duldung festlegen wird, läuft politisch nichts mehr zwischen Werra und Weinstraße. Seine Spitzenkandidatur für den hessischen Ableger der Ex-SED-Ex-PDS verdankt der 1947 in Weeze bei Kleve geborene van Ooyen eher einem Versehen; genauer der Tatsache, daß sein Vorgänger an dieser Stelle, das DKP-Mitglied Pit Metz, etwas zu plump einem Journalisten in den Block diktierte, was viele seiner Genossen denken, aber lieber nicht laut sagen: daß nämlich die Bundeswehr böse (da einen imperialistischen Angriffskrieg führend), das DDR-Grenzregime (da nur die legitime Interessen eines souveränen Staates verteidigend) dagegen gar nicht so schlimm gewesen sei. Blitzschnell wurde auf Weisung der Berliner Parteimuftis der aus der altlinken Asservatenkammer Marburg stammende Stalinist Metz abberufen und durch den politisch bekömmlicheren Chef einer Behindertenwerkstatt ersetzt. Wollte man den Prototyp eines bundesrepublikanischen Linksaußen abbilden, so könnte van Ooyen mit seiner Vita dafür Modell stehen: Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, zuvor nach eigener Auskunft in der gewerkschaftlichen „Lehrlingsbewegung politisiert“, Geschichts- und Pädagogikstudium, aktiv in allen politischen Bewegungen, die jeweils en vogue waren. In den sechziger Jahren marschierte van Ooyen gegen den Vietnamkrieg, in den Siebzigern gegen „Berufsverbote“, in den Achtzigern gegen die Nachrüstung, in den Neunzigern gegen „Nazis“ und aktuell gegen den „Sozialabbau“. Der Vater zweier Söhne trat parteipolitisch nur einmal in Erscheinung, in der Deutschen Friedensunion (DFU), deren Bundesgeschäftsführer er ab 1984 war. Das politische Feigenblatt der Kommunisten aus Ost und West trat immer dann in Erscheinung, wenn es galt, naive Bürgerliche für deren Anliegen einzuspannen; denn wo DFU draufstand, war DKP drin. Wenn van Ooyen jetzt als Aushängeschild der Linken fungiert, die laut eigenen „Eckpunkten“ vorhat, „alle Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse zu überwinden“, ist er der Strategie der ideologischen Camouflage treugeblieben.