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Marc Jongen, ESN Fraktion
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„Bis in den Tod“

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Gräfin Hardenberg, wer war Werner von Haeften?

Hardenberg:
Oberleutnant Werner von Haeften war ein tapferer Soldat, ein Patriot, ein Idealist und ein gläubiger Christ. Er war außerdem Stauffenbergs getreuer Adjutant und Gefährte.

Und er war der Mann, mit dem Sie den Rest Ihres Lebens teilen wollten.


Hardenberg:
Ja, er war mein Verlobter. Aber er fiel nach dem Scheitern des 20. Juli an der Seite Stauffenbergs, als dieser den Gewehrläufen des Exekutionskommandos seinen Ruf „Es lebe das heilige Deutschland!“ entgegenschleuderte.

Sie haben nie mehr geheiratet?

Hardenberg: Nein.

„Er hat lange mit sich gerungen“

Jeder weiß, Stauffenberg legte die Bombe. Was aber nahezu unbekannt ist: Es gab einen zweiten Attentäter: Werner von Haeften.

Hardenberg: So ist es. Obwohl Haeften wegen seiner christlichen Überzeugung lange mit sich gerungen hatte, flogen Stauffenberg und er am Morgen des 20. Juli gemeinsam ins Führerhauptquartier Wolfschanze bei Rastenburg in Ostpreußen, in der Absicht Hitler umzubringen. Dort war es Haeften, der den Sprengstoff für Stauffenberg vorbereitete und eine zweite Ladung an sich nahm.

Plazieren mußte Stauffenberg die Bombe in Hitlers Lagebesprechungsraum allerdings alleine, da Haeften dort keinen Zutritt hatte. Beide eilten nach der Explosion in der festen Überzeugung, sie hätten Hitler getötet, sofort nach Berlin zurück, wo Stauffenberg die Organisation des Aufstandes übernahm und Haeften ihm beistand.

Es ist auffällig, daß von den anwesenden Beteiligten der Erhebung des 20. Juli nur vier sofort hingerichtet wurden: Bei Graf Stauffenberg, General Olbricht und Oberst Mertz von Quirnheim ist dies nicht erstaunlich, denn sie waren an diesem Tag die führenden Köpfe. Warum aber auch Werner von Haeften, der als kleiner Oberleutnant organisatorisch gar keine bedeutende Rolle spielen konnte?

Hardenberg: Ja, das ist erstaunlich … Andere hochrangige Beteiligte des 20. Juli, wie General Erich Hoepner, der immerhin den Oberbefehlshaber des Ersatzheeres ersetzen sollte, wurden zunächst lediglich verhaftet.

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„Sie hatten gemeinsam versucht, Adolf Hitler zu töten“

Es fällt auf, daß General Friedrich Fromm, der die vier erschießen ließ, Olbricht und Quirnheim noch beim Namen nannte, Stauffenberg dagegen nur verächtlich mit „diesen Oberst, dessen Namen ich nicht mehr kenne“ und Haeften mit „diesen Oberleutnant“ titulierte. War der Grund dafür Haeftens Attentäterschaft?

Hardenberg: Das ist gut möglich. Denn im Gegensatz zu Olbricht und Quirnheim hatten die zwei unmittelbar versucht, Hitler zu töten.

Wenn dies damals eine solche Rolle spielte, warum ist Werner von Haeften dann heute nahezu vergessen?


Hardenberg:
Stauffenbergs überragende Bedeutung liegt eben nicht nur darin begründet, daß er das Attentat verübte, sondern vor allem, daß er den Aufstand geplant und angeführt hat. Hinzu kommt, daß die Deutschen heute insgesamt wenig Interesse für den 20. Juli und seine Details haben.

Woran liegt das?

Hardenberg: Ich beobachte mit Traurigkeit, daß der Generation von heute offenbar etwas abhanden gekommen ist, das es zu unserer Zeit noch gab und das der eigentliche Grund dafür war, daß der 20. Juli 1944 überhaupt stattgefunden hat. Nämlich Vaterlandsliebe: die Liebe zum eigenen Land! Wir haben damals nicht nur gehandelt, weil wir Freiheit und Recht wiederherstellen wollten, sondern vor allem, weil wir Deutschland liebten und es in Gefahr sahen: Zum einen in seiner moralischen Existenz, denn die entmündigende Diktatur der Nazis zerstörte die Selbstachtung unseres Volkes und ihre unglaublichen Verbrechen die Ehre der deutschen Nation. Zum anderen in seiner physischen Existenz: Denn längst zeichnete sich die Gefahr der Vernichtung Deutschlands ab.

„Mein Vater weigerte sich, der NSDAP beizutreten“

Sie sind die Urururgroßnichte des preußischen Reformers und Staatskanzlers Karl August von Hardenberg. Ein Name, der zum Widerstand verpflichtet?
Hardenberg: Ich denke schon. Die preußischen Reformer, mit meinem Vorfahren an der Spitze, haben nach der Niederlage gegen Napoleon den Widerstand gegen den Korsen zu ihrem Lebensinhalt gemacht

Sieg über Napoleon rettete Preußen und legte die Keimzelle für den deutschen Nationalstaat, der nun durch Hitler gefährdet war.Nicht nur Sie, auch Ihr Vater Carl-Hans Graf von Hardenberg war ein unbedingter Gegner der Nationalsozialisten.

Hardenberg: 1933 schied mein Vater aus allen öffentlichen Ämtern aus, die er bis dahin innegehabt hatte, da er sich weigerte, der NSDAP beizutreten und sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, automatisch in die Partei übernommen zu werden. Denn als Monarchist, Konservativer, Patriot und Christ lehnte er die Nazis von der ersten Stunde an ab. Er hielt zur Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und war bei uns am Ort für den Stahlhelm aktiv.

Bereits 1941 stieß er zum Widerstand und war an den Brennpunkten tätig.

Hardenberg: Ja, bekanntlich konzentrierte der sich zunächst an der Ostfront, wo Henning von Tresckow den Stab der Heeresgruppe Mitte zum Herz des Widerstandes ausbaute. Dort diente auch mein Vater, und zwar als Adjutant des Oberbefehlshabers Generalfeldmarschall Fedor von Bock. Im Auftrage Tresckows versuchte er, von Bock für den Widerstand zu gewinnen, was aber nicht gelang.

Zwar war der ebenfalls entsetzt über die Verbrechen hinter der Front, aber zu mehr als einem formalen Protest konnte er sich nicht entschließen. Mit ihm wurde mein Vater 1942 nach Berlin versetzt. Als Stauffenberg ab 1943 zur führenden Persönlichkeit des Widerstandes in Berlin wurde, verlagerte sich auch dessen Schwerpunkt in die Reichshauptstadt zurück – und mein Vater war abermals am Brennpunkt des Geschehens. Er war bereits beim Attentatsversuch im Berliner Zeughaus 1943 dabeigewesen.

Am 20. Juli hielt sich mein Vater zwar zunächst auch im Bendlerblock auf, spielte aber als Verbindungsoffizier an diesem Tag keine tragende Rolle – erst nach dem Erfolg sollte er wieder in Aktion treten und Oberpräsident – also so etwas wie Ministerpräsident – von Berlin-Brandenburg werden. Das erklärt auch, daß er den 20. Juli zunächst überlebte und warum die Gestapo vier Tage brauchte, um die Spur bis zu uns nach Neuhardenberg zurückzuverfolgen.

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„Alle trafen sie sich bei uns: Stauffenberg, Tresckow, Haeften“

Am 24. Juli wurden Ihr Vater und Sie verhaftet.

Hardenberg: Ja, als die Gestapo ihn festnehmen wollte, versuchte er sich zu erschießen, um nicht in die Gefahr zu geraten, seine Kameraden unter der Folter zu verraten. Aber er überlebte – auch das KZ Sachsenhausen. Er starb erst dreizehn Jahre nach dem Krieg. Ich wurde von der Gestapo ins Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit gebracht und dort vernommen.

Die Gestapo notierte später in Ihrem Vernehmungsprotokoll: „Weiß mehr, als sie zugibt.“

Hardenberg:
Das stimmte natürlich, denn ich gab nur zu, was die Gestapo ohnehin wußte. Unser Familiensitz, Schloß Neuhardenberg – siebzig Kilometer östlich von Berlin – war ein Zentrum des Widerstandes. Ein großer Teil der vorbereitenden Besprechungen fand dort statt.

Ich selbst war zwar nie unmittelbar in die Gespräche einbezogen, aber durch die Sekretärinnentätigkeit für meinen Vater war ich in vieles eingeweiht und an der Organisation der Treffen beteiligt. Alle kamen sie zu uns: Stauffenberg, Tresckow, Ludwig Beck, Graf Schulenburg, Ulrich von Hassell, etc. und eben auch Werner von Haeften.

„Ich sehe ihn noch vor mir … Sein Tod traf mich hart“

Was für ein Mensch war Haeften?

Hardenberg: Trotz schwerer Verwundung im Krieg war er von ungetrübter Lebensfreude und schlug mich damit sofort in seinen Bann. Im Gegensatz zu Stauffenberg war er kein Berufssoldat und trug lieber Zivil als Uniform. Ich sehe ihn so noch vor mir, in einem offenen, weißen Hemd, mit hochgekrempelten Ärmeln, lachend, den Wind in den Strähnen seines blonden Haares. Sein Tod traf mich hart.

In der Nacht des 20. Juli stürmten schließlich hitlertreue Einheiten die Kommandozentrale der Erhebung im Bendlerblock. Es kam zu einem Feuergefecht, bei dem Stauffenberg verwundet wurde. Haeften versorgte ihn. Als Stauffenberg verhaftet wird, reißt Haeften noch einmal seine Waffe hoch, um ihn zu verteidigen – doch Stauffenberg winkt ab.

Er versuchte, die anderen zu retten, indem er sich für alleinverantwortlich erklärt. Doch die Gruppe wird in den Hof geführt. Als um 0.15 Uhr zuerst Stauffenberg vor dem Erschießungskommando steht, stürmte Haeften vor und warf sich im Augenblick des Feuerbefehls vor Stauffenbergs Brust – beide starben gemeinsam, wie der Historiker Joachim Fest berichtet hat.

Hardenberg: Als Haeften 1943 Stauffenberg kennenlernte, war er so von ihm begeistert, daß er sich ihm sofort zur Verfügung stellte. Er sprach voller Enthusiasmus von ihm und beschrieb ihn als einen Menschen von großer Faszinationskraft und innerer Fröhlichkeit.

Dabei sei er gleichzeitig furchtlos und unbeirrbar in seiner Gegnerschaft zu Hitler gewesen. Ich bin Stauffenberg selbst mehrfach begegnet und kann diesen Eindruck nur bestätigen. In seiner Treue zu Stauffenberg blieb er sich selbst – und damit auch mir treu.

Reinhild Gräfin von Hardenberg ist die Nachfahrin  des preußischen Reformers und Staatskanzlers Karl August von Hardenberg (Gemälde hinter ihr) und Verlobte des Stauffenberg-Adjutanten Werner von Haeften.  1943 lernte sie den Oberleutnant der Wehrmacht  kennen, als er das Gut der Familie,  Neuhardenberg bei Berlin, besuchte, das ihr Vater, der Widerstandskämpfer Carl-Hans Graf von Hardenberg (JF 30/06) zu einem zentralen Treffpunkt für die Männer der Erhebung des 20. Juli gemacht hatte.

Durch die Sekretariatsarbeit für ihren Vater gehörte die Komteß, Jahrgang 1923, zum Unterstützerkreis des Aufstandes. Nach dem 20. Juli saß sie bis Ende des Krieges in Haft. In ihrem Buch „Auf immer neuen Wegen“ (Lukas Verlag) hielt sie 2003 ihre Erinnerungen fest – auch die an Werner von Haeften.

Werner von Haeften: Der 1908 in Berlin geborene Jurist und Neffe Generalfeldmarschall Walther von Brauchitschs nahm 1940 begeistert am Frankreichfeldzug teil. Mit dem EK I dekoriert, wurde er an der West- und Ostfront schwer verwundet und nach seiner Genesung 1943 nach Berlin versetzt, wo er Stauffenberg trifft. Sein Bruder, der Diplomat und Widerstandskämpfer Hans Bernd von Haeften wurde 1944 in Plötzensee hingerichtet.

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