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„Wir sind dafür nicht zuständig“

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Herr Dr. von Mosch, in Deutschland werden zahlreiche Gefallenendenkmäler regelmäßig beschmiert, zerstört oder schlicht dem Verfall preisgegeben. Die verantwortlichen Kommunen reagieren nicht selten bestenfalls mit der Versetzung in abgelegene Friedhofsecken, Kasernen oder gar mit dem endgültigen Abriß (Schwerpunktausgabe JF 22/04). Ist nicht der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge gefordert, auf dieses Problem endlich öffentlich aufmerksam zu machen? Mosch: Ich möchte betonen, daß dieses Problem bei uns in Bayern bislang noch weniger drängend ist. Allerdings haben inzwischen auch wir vereinzelt damit zu tun, ich denke zum Beispiel an die wiederholte Schändung sogar so bekannter deutscher Soldatendenkmäler wie dem Ehrenmal der Gebirgstruppe auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald (siehe Sonderteil Seite 15 bis 22). Das Problem ist jedoch, daß der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge für solche Angelegenheiten gar nicht zuständig ist. Was viele Bürger nicht wissen: Unsere Aufgabe besteht vor allem in der Pflege deutscher Kriegsgräber im Ausland. Warum nur im Ausland? Mosch: Da dies ist im Inland traditionell Aufgabe des Staates ist, der dafür nach dem Gräbergesetz den Kommunen für die Betreuung Geld gibt. Als der Volksbund 1919 gegründet wurde, um die Pflege der deutschen Kriegsgräber im Ausland zu übernehmen, wurde das Gefallenengedenken im Inland zuverlässig von den Gemeinden betreut – daß dies eines Tages nicht mehr der Fall sein könnte, konnte man sich damals kaum vorstellen. Nun hat sich die Situation aber gewandelt, muß der Volksbund darauf nicht reagieren? Mosch: Dem steht entgegen, daß es sich bei Gefallenendenkmälern in Deutschland nicht um Kriegsgräber handelt. Aufgabe der Volksbundes aber ist die Pflege von Soldatengräbern, nicht von Kriegerdenkmälern. Diese Denkmäler entstanden als Ersatz, weil die eigentlichen Orte der Trauer, die Gräber, an den weit entfernten Fronten des Ersten und Zweiten Weltkrieges lagen. Somit haben diese Denkmäler als gleichberechtigte Bestandteile des Gefallenengedenkens eine wichtige Funktion für die individuelle und kollektive Erinnerung. Die Unterscheidung in Soldatengräber und Soldatendenkmäler erscheint da rein formalistisch. Mosch: Ich gebe zu, daß sich der Volksbund über diese Frage einmal Gedanken machen kann. Allerdings bin ich gegen Ihren Lösungsvorschlag, denn dies würde bedeuten, die Gemeinden und Vereinigungen aus der Verantwortung zu entlassen. Dafür sehe ich keine Veranlassung. Wo ein Mißstand auftaucht, sollte er eher dadurch gelöst werden, daß die Kommune ihrer moralischen Pflicht nachkommt, als daß man es ihr ermöglicht, die Verantwortung abzuschieben. Zumal die Übernahme sämtlicher Kriegerdenkmäler im Inland in die Obhut des Volksbundes diesen völlig überfordern würde. Bitte bedenken Sie, daß über neunzig Prozent unseres Budgets von etwa 43 Millionen Euro im Jahr aus Spenden stammt und nur wenig davon aus staatlichen Zuwendungen kommt. Im übrigen pflegt die überwiegende Zahl der Gemeinden in Deutschland ihre Kriegerdenkmäler nach wie vor gewissenhaft. Immerhin unterhält der Volksbund aber auch im Inland Kriegsgräberanlagen. Mosch: Einige große Friedhöfe wurden in der Tat vom Volksbund angelegt und werden von ihm betreut, aber das sind nur einige wenige – in Bayern etwa sechs – Anlagen, die wir aus ganz unterschiedlichen Gründen übernommen haben. Über 95 Prozent unserer Aktivitäten finden im Ausland statt. Erfreulicherweise pflegt der Volksbund auch die Gräber der sowjetischen Soldaten und in deutscher Gefangenschaft umgekommener sowjetischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter hierzulande. Während allerdings daneben so manches deutsche Soldatendenkmal in kommunaler Verantwortung verfällt. Mosch: Anders als die Soldatenfriedhöfe der Westalliierten hier in Deutschland, die von den jeweiligen Heimatstaaten gepflegt werden, hat der Volksbund dies 1990 für die Sowjetunion, beziehungsweise heute Rußland, übernommen. Der Grund dafür sind die entsprechenden Verträge, die bei Abzug der Roten Armee aus Deutschland ausgehandelt worden sind. Bis dahin hatte die Rote Armee selbst für die Pflege der Gräber ihrer in Deutschland gefallenen Soldaten gesorgt. Warum hat Deutschland diese Verpflichtung übernommen, wenn dies – mit Blick auf die Westalliierten – offensichtlich nicht notwendig war? Mosch: Nun, so hat das die Politik damals ausgehandelt. Warum liegt die Pflege der Kriegsgräber im Ausland ausgerechnet in Deutschland in der Hand einer privaten Organisation, während dies in fast allen anderen europäischen Ländern Sache des Staates ist? Mosch: Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges befand Deutschland sich in einer Zeit der Not, Verwirrung und politischen Instabilität. Die Politik war damit beschäftigt, die Folgen des Krieges zu bewältigen und den jungen Weimarer Staat vor Revolutionen und Putschversuchen zu bewahren. Also nahmen Privatleute die Sache in die Hand, übrigens zuerst hier in München. Ein anderes Problem ist die Umwidmung von Denkmälern, wie etwa im Falle des Marine-Ehrenmales in Laboe an der Kieler Förde, das heute vorrangig vor den Gefallenen der Marine den „auf See Gebliebenen aller Nationen“ gewidmet ist. Ob U-Bootkrieg oder Badeunfall, an alle erinnert Laboe heute. Mosch: Solch eine Verharmlosung der Schrecken des Krieges sollte nicht stattfinden. Träger des Marine-Ehrenmals ist nicht der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, sondern der private Deutsche Marinebund. Man wird dort alles wohl überlegt haben. Der Volksbund unterhält zahlreiche Kontakte ins Ausland. Wie reagiert man dort, wenn man von diesen Mißständen in Deutschland hört? Mosch: Irritiert, denn während es im Ausland zumeist einen fast hundertprozentigen Konsens über den Umgang mit den Opfern der Kriege gibt, herrscht bei uns nur eine etwa achtzig- bis neunzigprozentige Übereinkunft. Man mag meinen, das sei nicht viel, aber es handelt sich um einen Unterschied, der durchaus seine Spuren hinterläßt. Woher resultiert dieser Unterschied? Mosch: Das hängt mit den furchtbaren Niederlagen in beiden Weltkriegen zusammen, mit der unendlichen Zerstörung, die das Land im Zweiten Weltkrieg erlitten hat, vor allem aber mit der entsetzlichen moralischen Verwirrung, die die Deutschen nach 1945 ergriff, als das Ausmaß und die Radikalität der kaum faßbaren nationalsozialistischen Verbrechen offenbar wurde. Also stellt der Umgang mit dem Gefallenengedenken in Deutschland einen Gradmesser für die Mangel an Normalität dar? Mosch: Zweifellos, wir müssen uns aber wohl darauf einrichten, daß dieser Zustand sicherlich noch eine Zeitlang anhalten und so mancher Streit darüber in unziemlicher Weise ausgetragen werden wird. Was meinen Sie? Mosch: Etwa die Versuche, mit dem Totengedenken Politik zu machen. Zum Beispiel? Mosch: Die Proteste gegen Trauerfeiern auf Friedhöfen, auf denen auch Angehörige der Waffen-SS liegen, oder gar gegen Trauerfeiern für gefallene Soldaten überhaupt. Ich finde es absurd, wenn das sogar so weit geht, daß mißliebige Gefallene wieder ausgegraben werden sollen. Andererseits mißbrauchen aber auch Rechtsextreme das Totengedenken zur politischen Demonstration, indem sie ein „Heldengedenken“ veranstalten. Ebenso ziehen Linke gerne alljährlich im Januar am Grab von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf. Dieses durchaus legitime Heldengedenken wird ihr, anders als der extremen Rechten, von niemandem vorgeworfen. Mosch: Das findet nicht im Rahmen des Volkstrauertages statt, wie auch nicht die Aufmärsche am Grab von Rudolf Heß in Wunsiedel. Mit alldem hat der Volksbund nichts zu schaffen. Im rheinland-pfälzischen Marienfels haben 2003 Landes- und Kommunalpolitiker, darunter nicht nur SPD-Ministerpräsident Kurt Beck, sondern auch Vertreter der CDU, für den Abriß eines Gefallenendenkmals für Soldaten der ehemaligen Waffen-SS demonstriert. Mosch: Ich bin mit dem Fall nicht vertraut. Das fällt sicher nicht unter das Mandat des Volksbundes. Bei der Beerdigung der RAF-Mitglieder in Stuttgart 1977 sprach sich der CDU-Oberbürgermeister Manfred Rommel für ein Ende des Hasses über den Gräbern aus, in Marienfels demonstrierte die CDU für Abriß. Mosch: Das stimmt nachdenklich. Müßte der Volksbund die Sache der Gefallenen also vielleicht nicht nur auf den Friedhöfen, sondern schon mitten im gesellschaftlichen Diskurs vertreten? Mosch: Es ist nicht unsere Aufgabe, uns in gesellschaftspolitische Debatten einzumischen, wir wollen Versöhnung, nicht Hader über den Gräbern. Aber gesellschaftspolitische Attacken wie zum Beispiel das „Soldaten sind Mörder“-Urteil betreffen die toten Soldaten genauso wie die lebenden, nur können sich erstere nicht wehren. Mosch: Das gesellschaftliche Feld zu gestalten, ist die Aufgabe der Politik. Wir würden damit unsere Arbeit gefährden. Deshalb haben wir auch zur Wehrmachtsausstellung nicht Stellung genommen. Konservative Kritiker bemängeln zudem, daß der politisch korrekte Zeitgeist auch im Volksbund Platz greift, was sich etwa mit Maßnahmen gegen betont konservative Mitglieder oder auch in Aktivitäten – wie zum Beispiel des Landesverbandes Hessen – dokumentiert, die dem sogenannten „Kampf gegen Rechts“ zugerechnet werden müssen. Mosch: Davon ist mir nichts bekannt, und zumindest für unseren Landesverband Bayern kann ich garantieren, daß solche Vorwürfe unbegründet sind. Wir verfolgen den Kurs der absoluten politischen Neutralität auch gegenüber Konservativen. Natürlich lebt aber der Volksbund in der Gesellschaft, wie sie heute ist. Insofern ist es nur natürlich, wenn auch der Volksbund – unter der Prämisse, sich aus der Politik herauszuhalten – Personen mit ganz unterschiedlicher Meinung zu Wort kommen läßt. Dr. Heinrich von Mosch ist Mitglied im Präsidium des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge und Vorsitzender des Landesverbandes Bayern. Geboren wurde der Jurist und Regierungspräsident a.D. 1930 im brandenburgischen Lübben, 1945 flüchtete die Familie nach Bayern. Mosch ist Mitglied der CSU. Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge: Gegründet 1919, um die zahllosen deutschen Soldatengräber des Ersten Weltkrieges zu pflegen. Heute betreut der Volksbund 1,8 Millionen Kriegsgräber auf über 640 Friedhöfen. Deutsche Kriegsgräber gibt es in 100 Ländern der Erde. Kontakt: Werner-Hilpert-Straße 2, 34117 Kassel, Tel: 0180 / 5 70 09 99, Internet: www.volksbund.de weitere Interview-Partner der JF

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